Hanibal
Getreide.
Freundschaft zwischen Rom und Karchedon – so schrie Hanno der Große; er habe es ja immer gesagt. Es brachte ihm nach seinen unglaublichen Tölpeleien im Krieg wieder Ansehen und Macht. Andere, zu denen ich gehöre, sehen die Dinge weniger fröhlich. Hieron sitzt zwischen Rom und Karchedon; ihm kann nichts daran liegen, Karchedon untergehen und Rom über alle Maßen erstarken zu sehen – deshalb Geld und Getreide. Und Rom kann ein von Krieg und Aufständen geschwächtes Karchedon besser berechnen als eine neue große Macht im Norden Libyens, die alle Städte und Dörfer, Libyer und Numider und Libyphoiniker sowie die überlebenden Punier zusammenfassen würde. Deshalb Roms plötzliche Freundschaft und Verläßlichkeit – sage ich.
Aber so gut – halbwegs gut – jenes Jahr endete, so furchtbar wurde das neue Jahr, das nun zu Ende geht. Karchedon sandte eine Flotte, Sardo und Kyrnos zurückzugewinnen. Sie stand unter dem Befehl des Nauarchen Hanno, der bei den Aigatischen Inseln den römischen Krieg verlor. In Sulkoi erhielt er, was er bereits in Karchedon verdient hätte – seine Truppen, ebenfalls Söldner, schlossen sich den anderen an und schlugen ihn ans Kreuz. Dann sandten sie abermals Botschafter nach Rom und boten die Inseln an. Rom lehnte erneut ab und lieferte nun selbst Getreide an Karchedon.
Aber Roms Milde hob Hannos des Großen Ansehen, wie erwähnt, und Hanno der Große, immer noch Stratege, war nun wieder stark genug, sich allen Anweisungen Hamilkars zu widersetzen. O mein Bruder: Zwei punische Heere verbrachten das ganze Jahr tatenlos, weil die Befehle des einen Strategen immer die des anderen aufhoben. Keine Schlacht wurde geschlagen; lediglich die Numider von Hamilkars Schwiegersohn Naraouas behelligten die Söldner ein wenig. Im übrigen konnten Mathõs und Zarzas Tausende weiterer Libyer sammeln. Ihre Heere sind nun wieder so stark wie vor den beiden siegreichen Schlachten des Barkas.
So gingen Sardo und Kyrnos verloren; so ging das Jahr verloren. Im Herbst vernichtete ein Sturm die Lastenflotte, die iberische Kämpfer, Waffen, Silber und Nahrungsmittel nach Karchedon bringen sollte. Nach dieser letzten der schwarzen Botschaften des Jahres ließen Hippo Akra und Ityke alle Hoffnung fahren, meuchelten ihre punischen Garnisonen und öffneten den Belagerern die Tore. Karchedon steht allein.
Aber noch steht Karchedon. Der Rat, von Hasdrubal getrieben und der finsteren Spiele überdrüssig, ließ die Krieger und Unterstrategen der Heere wählen, wen sie als ersten Befehlshaber behalten wollen – Hanno oder Hamilkar. Das Ergebnis kann niemanden verwundern. Hanno mußte den Befehl niederlegen; sein Nachfolger, Hamilkar unterstellt, wurde Hannibal, Parteigänger Hannos.
Nun haben Mathõs, Spendios, Autaritos und Zarzas mit der Belagerung von Karchedon selbst begonnen – der letzten freien Stadt. Aber Hamilkar, Hannibal und Naraouas ihrerseits belagern die Belagerer und schneiden ihren Nachschub ab, während Karchedon von Rom und Syraksai versorgt wird. Der trübe Winter ist heller, als der schwarze Sommer des schwarzen Jahres war.
Ich weiß nicht, o Attalos, ob es Karchedon gelingen wird, Sardo und Kyrnos zurückzugewinnen. Die Sardonier haben sich, wie du vermutlich weißt, im Herbst gegen die Söldner erhoben und sie verjagt – nach Rom. Zur Zeit haben die Inseln keinen fremden Herren. Du weißt, daß bereits unser Vater Aristeides dort Lager gehalten hat; heute besitzt die Sandbank sie, desgleichen Äcker und zwei Bergwerke. Sollte es dir von Massalia aus, und sei es mit Hilfe anderer massaliotischer Händler, möglich sein, in dieser wirren Lage einen Rest der Besitzungen oder Besitztümer in Sardo und Kyrnos zu retten, so sei die Hälfte dein. Den Gegenwert der anderen Hälfte solltest du in Massalia bei der Niederlassung der königlichen Bank von Alexandreia hinterlegen. Sollte es nicht möglich sein, oder sollte dir die Gefahr zu groß erscheinen, wird es unsere brüderliche Zuneigung nicht mindern.
7
SÄULEN DES MELQART
Hasdrubal erschien mitten in einem reichen Frühlingsguß. Der Wagen fuhr in den Hof und hielt vor Tsuniros Duftküche; der Punier sprang aus dem überdachten Gefährt und raste die Treppen hinauf. Bis er das fünfte Stockwerk erreicht hatte, war er völlig durchnäßt. Antigonos führte ihn durch den mit Ebenholz verkleideten Wanddurchbruch in die ehemalige Nebenwohnung, wo er ein Bad hatte einrichten lassen. Es wurde von einem Wassertank auf dem
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