Hanibal
Dach gespeist. Hasdrubal breitete seine nassen Gewänder über den Rand der Holzwanne, rieb sich mit einem großen Wolltuch ab und stieg in Schurz und Chiton, die Antigonos bereitgelegt hatte.
Während des Abendessens – es gab Brot, gesalzenen Thunfisch, Oliven, Früchte, Wasser und Wein – prasselte der Regen munter weiter. Manchmal war es schwierig, mehr als Wortfetzen zu verstehen. Danach brachte die Amme Ariston zu Bett; Memnon verschwand, um mit heißen Ohren die von Xenophon geschilderten Abenteuer und Mühen hellenischer Söldner weiterzulesen; Hasdrubal, Antigonos und Tsuniro nutzten das Ende des Regens, trugen Stühle und einen Tisch auf die Terrasse an der Seemauer und tranken Wein. Die frische Abendluft war köstlich wie junger durchgeseihter Most. Nachtfischer stakten mit ihren Kähnen durchs ufernahe Schilf des Tynes-Sees; ein Sperber, später ein paar Mauersegler beobachteten den Wachwechsel auf der Seemauer. Als es dunkel wurde, rissen die Wolken auf, der fast volle Mond tauchte alles in blasses Licht. Fledermäuse zuckten durch den Himmel.
Hasdrubal faßte die jüngsten Vorgänge im Rat zusammen.
»Es ist nichts dabei, was Hamilkar unbedingt wissen muß, aber er wird wie üblich alles wissen wollen.« Der Lenker der Barkiden spielte mit dem schweren Silberbecher. »Hanno hat seine Finger wieder in die Staatsgeschäfte gesteckt – seine Verbindungen und sein Geld sind einfach zu wichtig. Ich glaube, er kann noch so viele Schlappen erleiden und Fehler machen… Jedenfalls betreibt er mit Macht den Bau einer neuen Flotte. «
Antigonos setzte seinen Becher so hart auf den Tisch, daß der Wein herausspritzte. »Zuerst läßt er eine gute Flotte verrotten und hilft, den Krieg gegen Rom zu verlieren. Jetzt will er eine bauen – wozu, bei allen Auswürfen seiner räudigen Götter?«
Hasdrubal hüstelte. »Wozu wohl? Rom liefert Weizen, Hieron auch, dicke Freundschaft allerseits – also besteht keine Gefahr, daß jemand eine Flotte mißbrauchen könnte. Deshalb will Hanno eine haben. Und vor allem eines: Sardonien.«
Tsuniro verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Sardonien ist doch verloren. Will er…?«
»Genau das. Sizilien hat ihn nicht weiter interessiert; da hatte er keine Geschäfte. Aber in Sardonien gehört ihm Verschiedenes. Deshalb. Erst als Rom zum zweiten Mal die Angebote der Söldner abgelehnt hat, was die Inseln angeht, hat er mit seinem neuesten Spiel begonnen. – Aber das ist wirklich alles, was erwähnenswert ist.«
Hamilkar, der neue zweite Stratege Hannibal und Naravas hatten durch Überfälle, Angriffe und vor allem die Abschnürung allen Nachschubs die Söldner vor Qart Hadasht in eine verzweifelte Lage gebracht. Schließlich brachen Spendius, Audarido und der Libyer Zarzas die Belagerung ab. Immer noch hielt Matho die Städte Ityke, Hipu und Tynes; die drei anderen Führer zogen mit ihren fast fünfzigtausend Kriegern durchs Land, gehetzt von Naravas’ Reitern. Hannibal blockierte Tynes, mit einem Teil der punischen Truppen. Während das kleinere der beiden punischen Heere so auch jede Möglichkeit für Matho unterband, den anderen zu Hilfe zu kommen, trieben Naravas und Hamilkar mit den Reitern, Elefanten und dem größeren Heer die Söldner immer wieder in die Enge, lockten sie nach Südosten, aus den fruchtbaren Ebenen des Kernlands in die Berge und Trockengebiete diesseits der Küste und der Byssatis. Spendius, Audarido und Zarzas hatten mehr als die doppelte Anzahl von Kämpfern, aber die Furcht vor Hamilkar und seinen Feldherrnkünsten war so groß, daß sie sich nicht auf eine neue Schlacht einließen. Dem großen Punier gelang es wieder und wieder, Hinterhalte zu legen, kleine Trupps von der Hauptmacht des Feindes zu trennen und zu vernichten, fast ohne eigene Verluste, und den Gegner in immer ungünstigeres Gelände zu ziehen, weit entfernt von Matho.
»Der Nachschub ist seit gestern unterwegs; ich reite morgen früh. Ich glaube, ich werde Hamilkar neben Münzen und Vorräten und den Nachrichten über Hanno noch etwas mitbringen.«
Hasdrubal goß sich Wein nach. »Was denn?«
Antigonos zupfte an seinem rechten Ohrläppchen. »Ich sage es ungern – Gerüchte.«
Tsuniro kicherte halblaut. »Endlich mal etwas wirklich Interessantes – und du sagst es ungern. Welche Art von Gerüchten, o Gefäß meiner Freuden?«
»Meinst du das Geschwätz über Hamilkar und mich?«
Hasdrubal zog die Mundwinkel nach unten.
»Eben dieses – schöner Hasdrubal.«
Der
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