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Hannah, Mari

Hannah, Mari

Titel: Hannah, Mari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sein Zorn komme uber uns
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den Flur gegangen und sprachen jetzt an der Wohnzimmertür miteinander.
    Stanton, ein großer, gut aussehender Fünfzigjähriger, fertigte mit seinem goldenen Cross-Stift, der so mühelos über das Papier lief wie Wasser über ein Wehr, eine kleine Skizze der Wohnung an. Daniels musste die Skizze nicht ansehen, um zu wissen, dass sie jedes noch so kleine Detail penibel erfasste. Stanton arbeitete immer exakt. Sie war sehr froh, dass er bei der ersten Ermittlung unter ihrer Leitung mit ihr zusammenarbeiten würde.
    Im Wohnzimmer ging sie vorsichtig um den Leichnam herum und zog die Vorhänge beiseite, um das Sonnenlicht hereinströmen zu lassen. Als sie sich umdrehte, hatte Stanton bereits die Handschuhe angezogen, war auf die Knie gegangen und inspizierte die Leiche, wobei er sorgfältig darauf achtete, nichts zu berühren oder zu bewegen, während er unter Brights Augen erste Betrachtungen anstellte.
    »Die Frau des Opfers hat den Leichnam in situ identifiziert«, sagte Bright und lockerte seine Krawatte. »Hat gesagt, sie hätte ihn so gefunden, als sie etwa gegen Viertel vor eins heute früh in die Wohnung zurückkam. Es tut mir leid, aber ich kann nicht hierbleiben, ich hab noch einen anderen Termin um halb zwei. Haben Sie was dagegen, wenn Kate Sie informiert? Sie leitet in diesem Fall die Ermittlungen.«
    Stanton sah kurz auf und wirkte aufrichtig erfreut. »Stimmt das? Na, dann herzlichen Glückwunsch. Wurde ja auch Zeit!«
    Mit einem gezwungenen Lächeln klopfte Bright Daniels auf die Schulter. Irgendetwas stimmte an seinem Verhalten nicht, er zeigte ein so deutliches Unbehagen, wie es Daniels an ihm noch nie zuvor wahrgenommen hatte. Er konnte ihr nicht in die Augen sehen – zumindest schien es so.
    Die beiden Männer verabredeten sich noch rasch zum Golfspielen in der kommenden Woche. Da sie an dem Gespräch nicht beteiligt war, kehrte sie ihnen den Rücken zu und versuchte, sich auf die Ereigniskette zu konzentrieren, die möglicherweise zu Alan Stephens’ Tod geführt hatte.
    »Gehen Sie nur«, sagte Stanton. »Wir kommen hier schon zurecht, stimmt’s, Kate?«
    Daniels hörte nicht zu. Sie starrte aus dem Fenster auf den vertrauten Bogen der Tyne Bridge. Wie üblich staute sich der Verkehr. Die auf den Autos glitzernde Sonne ließ sie aussehen wie eine lange Kette aus Diamanten, die mitten in der Luft hing. Unter der Brücke schaukelten Möwen auf der Oberfläche des kalten grauen Flusses, der sanft gen Osten strömte, der Nordsee entgegen. Sie drehte sich gerade noch rechtzeitig um, um Bright hinausgehen zu sehen.
    »Entschuldigen Sie, Tim … Haben Sie was gesagt?«, fragte Daniels. »Ich war mit meinen Gedanken woanders.«
    »Nur, dass wir jetzt anfangen sollten.«
    Stanton lächelte verlegen, wahrscheinlich war ihm die frostige Förmlichkeit zwischen Daniels und ihrem Chef unangenehm. Einen Augenblick lang dachte sie, er würde sie darauf ansprechen, doch dann beschloss er wohl, sich nicht einzumischen. Stattdessen nahm er ein kleines Diktiergerät aus seiner Brusttasche und fing an zu arbeiten.
    Er begann damit, die Umgebung der Wohnung nach den Skizzen zu beschreiben, die er gezeichnet hatte. Er sprach sanft und klar in das Aufnahmegerät, betonte die Tatsache, dass es außerhalb des Zimmers, in dem der Tote gefunden worden war, keine auf den ersten Blick sichtbaren Blutspuren gab. Er war so konzentriert, dass er ihre Anwesenheit nicht mehr zu bemerken schien.
    Daniels’ Blick wanderte über Stephens’ Leichnam; Stanton sprach, seine Stimme kam und ging, während er seinen Bericht fortsetzte und nur gelegentlich innehielt, um sich bestimmte Bereiche näher anzusehen. Stephens lag mit dem Gesicht nach oben, keine zwei Schritt rechts von einem mit weißem Marmor eingefassten offenen Kamin, der über und über mit Blut bespritzt war; sein Körper war leicht gekrümmt und an die Beine eines Couchtisches gepresst, sein Kopf zeigte in Richtung der Tür, die zum Esszimmer führte. Der linke Arm lag seitlich vom Oberkörper am Boden, Handfläche nach unten. Der rechte Arm quer über dem Oberkörper, Hand auf dem Brustkorb.
    »Er ist von vorn erschossen worden«, sagte Stanton. »Die Eintrittswunde an der Stirn ist deutlich kleiner als die Austrittswunde am Hinterkopf.«
    Daniels lächelte trocken. Sie war ihm nicht böse. Er war nicht der Typ, der seiner Großmutter erklären wollte, wie man Eier ausblies. Er war nur der Typ Wissenschaftler, der nichts als gegeben voraussetzte.
    »Der Mann konnte sich

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