Hannah, Mari
Rest seines Lebens bestreiten konnte.
Was ist eigentlich aus Blairs Respekt-Agenda geworden?, dachte er.
Brown stieß ein rostiges Eisentor auf, das dringend einen neuen Anstrich brauchte. Der Vorgarten war mit Müll jeglicher Art übersät: Pizzaschachteln, Pommestüten, liegen gelassene Dosen und achtlos über die Mauer geworfene Flaschen. Als er auf den Klingelknopf drückte, stand das Wort WICHSER direkt vor seinen Augen, und Gormley fragte sich, wessen tolle Idee es gewesen sein mochte, den Psychiatrischen Dienst ausgerechnet hier anzusiedeln.
»So viel zum Thema Respekt-Agenda!«, sagte er.
Brown verzog das Gesicht. »Hab ich was verpasst?«
Gormley schüttelte den Kopf. »Hab nur laut gedacht.«
Eine Frauenstimme drang aus der Sprechanlage. »Ja!«
Brown hielt seinen Ausweis vor die Überwachungskamera. »Polizei!«
Ein Summer ertönte, und die Tür klickte auf.
Sie kamen durch einen Vorraum in einen schmalen Gang, Gormley voran. Am Ende stand ein Empfangstresen, an dem eine Angestellte mittleren Alters hinter dickem Panzerglas saß, was auch nötig zu sein schien, angesichts der übel aussehenden Drecksäcke, die mit ausgestreckten Beinen auf einer Bank an der Wand herumlümmelten und den schmalen Warteraum blockierten. Einige lasen, andere hörten Musik, die Übrigen starrten einfach nur stumpf auf die gegenüberliegende Wand. Der vorderste, Gary Henderson, machte sich nicht die Mühe, die Beine einzuziehen, als Gormley und Brown herankamen.
Gormley war nicht in der Stimmung, sich schikanieren zu lassen. »Weg da!«, sagte er.
Henderson knuffte Forster, den Mann neben ihm, der die Nase in einer Zeitschrift vergraben hatte, in die Rippen und tat, als schnüffelte er in der Luft herum.
»Hey, Mann. Was, meinst du, was das für ein Geruch ist? Scheiße, Schweinescheiße oder nur Schweine?«
Forster grinste, hielt aber den Kopf weiterhin gesenkt, wollte nicht hineingezogen werden.
Gormley lächelte der Sekretärin ermutigend zu, weil er sich dachte, dass sie während ihrer Zeit hier wahrscheinlich schon den einen oder anderen Kampf gesehen hatte. Der Klientel nach zu schließen, war es wohl eher eine Frage, wann und nicht ob die austickten. Der Hänfling neben Henderson war viel zu alt für seinen rasierten Schädel und den Tattoos darauf. Gormley ignorierte ihn und starrte stattdessen Henderson an, beugte sich vor und legte ihm die Hände auf die Oberschenkel.
Er ging ganz nah an ihn heran, so nah, dass ihre Gesichter sich beinahe berührten. »Ich hab gesagt, weg da!«
Henderson grinste verächtlich.
Gormley holte mit dem Fuß aus, trat beide Beine des Mannes weg und ging weiter zur Rezeption. Die Frau hinter dem Sicherheitsglas war mit den Nerven fast am Ende, blickte hektisch an ihm vorbei, während er auf sie zuging, und erwartete noch mehr Ärger.
»Ich bin Detective Sergeant Gormley, das ist DC Brown. Können wir mal mit Ihnen sprechen?«
Die Sekretärin streckte die Hand aus, damit Gormley seinen Ausweis durch den schmalen Schlitz im Sicherheitsfenster hindurchschieben konnte. Aber stattdessen presste er ihn an die gläserne Trennwand, so dass sie ihn durch das Glas hindurch ansehen konnte. In all den Jahren bei der Polizei hatte er sein wertvollstes Besitzstück noch nie aus der Hand gegeben, und er hatte nicht vor, jetzt damit anzufangen. Sie lugte über ihre Brille hinweg und verglich sein Äußeres mit seinem Ausweis. Der Mann auf dem Foto war viel jünger als der, der vor ihr stand, aber sie konnte dennoch feststellen, dass es derselbe war. Dann zog Brown einen Durchsuchungsbefehl hervor und schob ihn unter dem Fenster hindurch.
»Wir möchten gern in Ms. Soulsbys Büro«, sagte er.
Die Sekretärin faltete das Stück Papier auseinander und nahm sich ewig Zeit, um es zu lesen. Als sie aufblickte, geriet sie in Panik. Henderson war aufgestanden und kam auf sie zu.
Gormley fuhr herum. »Weg hier, oder ich brech dir den Arm!«
Henderson wich zurück und hielt ihm den gestreckten Mittelfinger der rechten Hand entgegen. Brown sagte, er solle sich hinsetzen und ein bisschen Respekt zeigen, während ein Summer ihnen erlaubte, durch eine Tür mit der Aufschrift PRIVAT zu treten.
Sie fanden Jo Soulsbys Büro im hinteren Teil des Gebäudes im Erdgeschoss. Abgesehen von den Gittern vor dem Fenster war es ein sehr angenehmer Raum: ein großer Mahagoni-Schreibtisch in der Mitte, ein bequemer Stuhl, Bücherregale aus Massivholz, die neben Fachliteratur auch eine kleine Sammlung
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