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Hannahs Briefe

Hannahs Briefe

Titel: Hannahs Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronaldo Wrobel
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gehüllt.
    »Ihr wart nicht allein!«, rief er und deutete auf den Maître, der ebenfalls zu den Männern gehörte. »Offen gesagt, es hat Spaß gemacht.«
    Max konnte es nicht fassen. Jetzt fehlten nur noch Franz und Marlene Braun oder Adolf Hitler, Arm in Arm mit Carmen Miranda, oder vielleicht Getúlio Vargas in Pumphosen und mit verschmiertem Makeup, der sie freundlich lächelnd fragte, ob ihnen die Show gefallen habe.
    Während der Vernehmung gab Hannah nur das Offensichtliche zu Protokoll, aufrecht und mit monotoner Stimme. Den verhängnisvollen Abend erwähnte sie nicht, stattdessen bedauerte sie den scheinbaren Misserfolg der Mission, da es weder Beweise noch Indizien gegen Franz Braun gebe. Zur Enttäuschung ihrer Vernehmer bestätigte Max ihren Bericht. Auch der falsche Kellner und der Maître hatten keine Hinweise im Müll oder unter den Habseligkeiten des Ehepaares gefunden, die sie auf deren Zimmer durchstöbert hatten. Franz und Marlene hatten nicht telefoniert, weder Briefe abgeschickt noch welche erhalten und während ihres Aufenthaltes in São Lourenço nur mit Hannah und Max gesprochen. An jenem Morgen waren sie nach Caxambu aufgebrochen, wo sie von einem anderen Paar überwacht werden sollten. Man war sich einig, dass die Operation leider, zumindest bis zu diesem Zeitpunkt, »ergebnislos« geblieben war.
    Enttäuscht blätterte Leutnant Staub in den Karten auf dem Tisch.
    »Niemand kann mir weismachen, dass dieser Kerl unschuldig ist!«
    »Unsinn«, sagte Hannah. »Er ist ein eleganter, gutaussehender Mann, sonst nichts. Im Übrigen ist er sehr gebildet, er kennt sich mit Philosophie aus, hat sich im Krieg verdient gemacht … ein weiser Mann.«
    Max hielt es nicht mehr aus.
    »Von wegen weise!« Er schäumte vor Wut. »Ein Betrüger ist er, ein Schwindler, ein elender Wicht, der vor niemandem Respekt hat, nicht mal vor seiner eigenen Frau!«
    Der Butler brachte dem aufgebrachten Schuhmacher ein Glas Wasser, und Staub bat ihn, sich zu beruhigen. Vergeblich: Max war nicht zu bändigen, er war kurz davor, auf Hannah loszugehen. Er beschloss, ihnen von Marlenes Gefühlsausbruch im Foyer zu erzählen, nicht, weil er es für wichtig hielt, sondern um klarzustellen, dass Braun ein niederträchtiger Don Juan war, der Almanache las und regelmäßig zu Huren ging, einmal waren es sogar drei auf einmal gewesen, und zwar, als sie in …
    »Korina?«, verhaspelte er sich. »Karina?«
    Im Raum herrschte Schweigen, alle waren perplex. Max war aufgestanden, er schnaufte und kratzte sich den schwitzenden Schädel, da fragte einer der Männer:
    »Kiruna?«
    »Genau!«
    »Sind Sie sicher?«
    »Absolut, Kiruna! Und nicht nur das. Danach fuhr Braun nach … Narvik?«
    Der Mann stieß einen Triumphschrei aus. Es brach allgemeine Hektik aus, Ordner wurden ausgepackt, Karten auseinandergefaltet und Akten gewälzt, man raunte sich aufgeregt Dinge zu. Kugelschreiber fuhren über Papiere, die sorgsam unter die Lupe genommen wurden. Bis endlich alle die »wertvolle Information« feierten und man ihm gratulierte:
    »Senhor Kutner, herzlichen Glückwunsch! Sie haben uns soeben die Lösung geliefert. Kiruna und Narvik! Ganz ruhig, keine Sorge. Wir erklären Ihnen alles. Vor langer Zeit hat Hitler den Versailler Vertrag zerrissen, der Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg den Besitz von schweren Waffen verbot. Inzwischen duldet die Welt die Militarisierung des Deutschen Reiches, weil man den Nationalsozialismus als größten Feind des Kommunismus betrachtet. Kiruna liegt in Schweden, und Schweden liefert Eisenerz an Gustav Krupp, den Besitzer des größten deutschen Stahlunternehmens. Krupp fabriziert Waffen für Hitler. Das Erz kommt aus schwedischen Minen in Kiruna und Gällivare. Von dort aus geht es nach Norwegen und dann über Narvik weiter nach Deutschland.«
    Staub war hocherfreut.
    »Dieser Senhor Braun, oder wie immer er heißt, arbeitet für die Waffenindustrie. Dank Ihnen beiden wissen wir jetzt zumindest zum Teil, warum er in Brasilienist. Herzlichen Glückwunsch! Stoßen wir darauf an!«
    Max war völlig aus dem Häuschen. Hannah hielt ein Glas Sekt in der Hand. Die Männer umarmten sich, zwei von ihnen küssten sich sogar. Der Butler schenkte ein und verteilte die Gläser, alles mit aristokratischer Geste. Um die Absurdität auf die Spitze zu treiben, rief der Schwarze laut und deutlich:
    »Le Chaim!«

Kapitel 8

    Buenos Aires, 10. Dezember 1938
    Liebe Hannah,
    ich habe drei Kostüme in Auftrag gegeben und bringe

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