Hannahs Entscheidung
alter Junge, lass mal die Luft hier raus, und dann erzählst du mir mehr von Hannah. Ich möchte alles über die Frau wissen, die es fertigbringt, meinen Kumpel derart zu verwirren.«
»Sag mal«, fragte Finn beiläufig, nachdem der Pegel in der Jack Daniel’s Flasche bedenklich gesunken und das Feuer fast heruntergebrannt war, »wie geht es eigentlich Penny ?«
»Gut.« Sam betrachtete seinen Freund aufmerksam. »Denke ich zumindest. Sie scheint sich in Asheville wohlzufühlen, hat einen neuen Lover. Allerdings höre ich nicht oft von ihr. Warum fragst du?« Täuschte er sich, oder war Finn gerade eben unmerklich zusammengezuckt, als er Pennys neue Beziehung erwähnte?
Finn hob die Schultern, während er das ersterbende Feuer intensiv studierte. »Kein besonderer Grund.«
Seine Reaktion bestätigte wieder einmal Sams lang gehegte Vermutung, dass zwischen seiner Schwester und ihm etwas vorgefallen sein musste. Er konnte seinen Finger nicht genau drauflegen, aber er hatte so eine Ahnung. Die beiden hatten sich immer seltsam benommen, wenn sie aufeinandergetroffen waren. Und er hatte das verräterische Funkeln in Pennys Augen bemerkt, wann immer die Sprache auf seinen Freund gekommen war. Die alte Neugier flackerte wieder auf. Sam kniff die Brauen zusammen. »Finn – du hast schon immer eine Schwäche für unsere gute Penelope gehabt, gib’s zu.«
Finns grimmiger Blick traf ihn, doch der Freund schwieg beharrlich. Die Muskeln in seinem Kiefer arbeiteten. Oje, er hatte sich anscheinend auf gefährliches Terrain begeben. Ähnlich wie seine Schwester zog auch sein langjähriger Freund es vor, zu diesem Thema zu schweigen.
»Und wenn es so wäre«, grummelte Finn schließlich bärbeißig, »würde es auch keinen Unterschied machen, oder? Penny hat sich in Asheville ein Leben aufgebaut und lebt dort glücklich mit Freund und Tochter. Ist es nicht so?«
Sam hatte dem nichts entgegenzusetzen. Manchmal fragte er sich, wie lange Pennys aktuelle Beziehung wohl diesmal halten würde, denn in Sachen Männer schien seine Schwester kein glückliches Händchen zu haben. Seit sie ihn einst auf übelste Weise beschimpft und anschließend zwei Monate nicht mehr mit ihm gesprochen hatte, als er es wagte, sie nach Abbys Vater zu fragen, hielt er sich aus ihren Liebesangelegenheiten heraus. »Tut mir leid, alter Junge«, sagte er zu Finn. »Du weißt doch, wie unsere Penny ist .«
Finn reckte sein Kinn. »Zurück zu Hannah. Du hast mir noch immer nicht erzählt, wie das genau abgelaufen ist, als dieser Shane im Cottage Garden auftauchte.«
*
Ellies Augen leuchteten freudig auf, als sie Hannah in der Tür entdeckte. »Hallo, Liebes! Komm rein.«
Hannah platzierte ihre Reisetasche auf dem kleinen Tischchen am Fenster und trat ans Bett. »Du siehst gut aus, Nana. Viel besser als gestern.« Ellie saß aufrecht gegen ein dickes Kissen gelehnt. Mit Erleichterung stellte Hannah fest, dass die Wangen ihrer Großmutter an diesem Morgen – anders als am Tag zuvor - rosig schimmerten.
»Ich mache Fortschritte. Dr. Grey ist mit mir sehr zufrieden.« Einladend klopfte Ellie mit der flachen Hand auf ihre Decke. »Setz dich zu mir.«
Hannah nahm Ellies schmächtige Hand in ihre eigene, vorsichtig darauf bedacht, den Zugang nicht zu berühren. »Mein Gott, Nana, das sind wunderbare Neuigkeiten. Ich bin sehr froh.«
»Du brichst heute wirklich wieder nach Willow Creek auf?« Ellies Blick glitt hinüber zu Hannahs Reisetasche.
Hannah nickte. »Aber ich sagte ja, dass ich wiederkomme.« Sie dachte an Sam. Sie bekam ihn einfach nicht mehr aus dem Kopf. Er hatte sich dort eingenistet wie eine lieb gewonnene Melodie. Sie fürchtete, dass sie sich in Sam Parker verliebt hatte. Als sie in der letzten Nacht wach lag und den Geräuschen der Dunkelheit lauschte, hatte sie all die Momente, in denen sie einander begegnet waren, Revue passieren lassen. Es bestand kein Zweifel daran, dass es zwischen ihnen heftig knisterte. Wenn Gloria in der Tanzhalle nicht dazwischengefunkt hätte, wer weiß, was geschehen wäre? Sie musste herausfinden, was Sam für sie empfand. Was Gloria für eine Rolle spielte. Aber selbst wenn Sam die gleichen Gefühle hegte wie sie, war da noch immer das Kind …
»Hannah?«
»Hm?«
»Was ist mit dir, Liebes? Du wirktest eben, als seist du meilenweit entfernt.«
Hannah nestelte an ihrem Amulett. »Es gibt tatsächlich etwas, das ich mit dir besprechen möchte, Nana .« Sie drehte den Kopf, damit Ellie nicht
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