Hannahs Entscheidung
nicht in Shanes und meine Angelegenheit hineinziehen.« Hannah richtete den Blick auf Tsali, die das Gespräch interessiert verfolgte. »Sie weiß noch nicht, dass sich meine Ankunft auf Fairview verzögern wird.«
»Bleib, solange du möchtest«, erwiderte Tayanita warm.
»Danke, Taya.«
Tsali gähnte jaulend und zog damit die Aufmerksamkeit der Frauen auf sich. Sie stand auf und schmiegte sich an Hannahs Beine. Zärtlich tätschelte Hannah die warme Flanke.
»Ich denke, unsere Tsali freut sich genau wie ich, wenn du uns noch ein wenig Gesellschaft leistest«, meinte Tayanita.
»Apropos Gesellschaft«, sagte Hannah zögerlich, »mir fällt oben die Decke auf den Kopf. »Könnte ich dir vielleicht noch irgendetwas helfen? Ich würde mich gern nützlich machen. Ich kann jetzt noch nicht schlafen.« Die Wahrheit war, dass sie sich vor den Albträumen fürchtete, vor den Erinnerungen, die sie verfolgten.
»Du kannst«, entgegnete Tayanita schmunzelnd. Sie klappte den Karton, in dem die Tongefäße eingepackt waren, zusammen und schob ihn beiseite. »Ich freu mich, wenn du noch etwas bei mir bleibst. Bei mir und Tsali«, fügte sie lachend hinzu, als die Hündin ein zustimmendes Bellen von sich gab.
In der Küche drückte Tayanita ihr ein Geschirrtuch in die Hand. »Es wäre prima, wenn du die Gläser und Schüsseln abtrocknest.« Eine Weile arbeiteten sie in kameradschaftlichem Schweigen, wie ein seit langer Zeit eingespieltes Team. Als Tayanita ihr wenig später eine Auflaufform reichte, bemerkte sie, dass Hannah zitterte. »Was ist mit dir?«
Hannah rang sich ein Lächeln ab. »Ach, ich weiß nicht. Mir ist nur gerade ein bisschen schwach.«
Tayanita stützte sich mit einer Hand an der Spüle ab. »Hör zu, ich möchte dir nicht zu nahe treten und gewiss nicht aufdringlich sein, aber ich habe das Gefühl, dass es noch etwas gibt, das dich belastet. Es ist nicht nur die Trennung von deinem Mann, oder? Ich sehe, dass es dir nicht gut geht.« Sie forschte in Hannahs Gesicht. »Vielleicht magst du dich mir anvertrauen? Wir kennen uns zwar noch nicht lang, aber ich mag dich und ich höre dir gern zu, wenn du reden möchtest. Manchmal hilft es, seine Sorgen mit einem Freund zu teilen.«
Hannah legte das Handtuch beiseite. »Ich habe dir nicht die ganze Geschichte erzählt, Taya.« Sie senkte den Blick. »Als ich Shane sagte, dass ich ihn verlassen würde, schlug er zu.« Ihr Brustkorb hob und senkte sich rasch, während sie versuchte, das ganze schreckliche Geschehen in Worte zu fassen.
Nachdem Hannah geendet hatte, legte Tayanita einen Arm um ihre Schultern. »Komm, lassen wir das restliche Geschirr sein. Das hat Zeit bis später. Ich mache uns jetzt erst einmal eine schöne Tasse Tee. Was hältst du davon?« Sie lotste Hannah hinüber ins Café, wo sie ein paar Kerzen anzündete und das Licht dimmte. »Setz dich. Ich stell den Wasserkessel auf.« Sie gab Tsali, die ihnen wie ein Schatten folgte, einen sanften Klaps. »Tsali wird dir Gesellschaft leisten, bis ich wieder da bin. Nicht wahr, meine Schöne?«
Tsali blickte zu ihrem Frauchen auf, registrierte die leichte Handbewegung und trottete gehorsam an Hannahs Seite. Mit einem Schnaufen ließ sie sich zu ihren Füßen nieder. Gedankenverloren streichelte Hannah die seidigen Ohren.
»Ach Tsali. So hatte ich mir mein Leben nicht vorgestellt.« Irgendwann beugte sie sich zu dem Tier hinunter und presste ihr Gesicht an seinen Kopf. »Du bist ein guter Hund.«
»Tsali ist eine prächtige Gefährtin«, stimmte Tayanita zu, die mit einem Tablett samt Teekanne, zwei Tassen und einem Teller voller Gebäck aus der Küche zurückkam. »Ihre Gegenwart hat mir schon über manchen traurigen Moment hinweggeholfen.« Sie warf ihrer Hündin einen zärtlichen Blick zu, bevor sie das Teegeschirr verteilte.
Seltsamerweise machte es Hannah nichts aus, dass Tayanita sie in einem schwachen Moment ertappt hatte. Sie fühlte sich wohl und geborgen in ihrer Nähe. Der dampfend heiße Tee erfüllte die Luft mit seinem süßen Duft, in dem unverkennbar ein Hauch von Zimt schwebte.
»Wenn ich nur wüsste, was ich tun soll.« Hannah starrte durch die dunkelgoldene Flüssigkeit hindurch auf den Grund ihrer Tasse. »Jahrelang habe ich es mir gewünscht, und jetzt, wo es geschehen ist, weiß ich nicht, wie ich damit umgehen soll. Es ist nicht der richtige Zeitpunkt.« Das monotone Surren der Rotorblätter des Deckenventilators vermischte sich mit Tsalis hechelndem Atemgeräusch.
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