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Hannahs Entscheidung

Hannahs Entscheidung

Titel: Hannahs Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Sunday
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Zahnarztpraxis von innen gesehen.
    »Würden Sie mir vielleicht die Stallungen zeigen?« Bewusst vermied sie Sam Parkers forschenden Blick.
    »Das würde ich gern tun, Ma’am, wenn Mr. Parker nichts …«
    »Mr. Parker hat nichts dagegen«, unterbrach Sam ihn mit einem vielsagenden Unterton in der Stimme. »Sicher wird Miss Mulligan es genießen, sich einmal frische Landluft um die Nase wehen zu lassen, Jackson. Viel Vergnügen.« Er tippte an seine Hutkrempe.
    Für wen hielt sich der verdammte Typ eigentlich. Für den J.R. Ewing von North Carolina? Ihre Gelassenheit hatte nicht lange angehalten. Leicht verärgert stapfte sie Jackson hinterher.
     
    *
     
    Als sie ihre Hände in das warme, nach Limonen duftende Seifenwasser tauchte, dachte Eliza Mae an jenen Tag zurück, an dem sie ihrer Enkelin zum ersten Mal begegnete. Ihre Tochter Holly Jane hatte Charlotte zwei Tage nach der Trauung mit ihrem frisch angetrauten Ehemann, einem Marineoffizier, verlassen, um in Costa de la Luz in Andalusien auf dem Marinestützpunkt ein neues Leben zu beginnen. Eliza ahnte damals nicht, dass sie Holly Jane an diesem Morgen zum letzten Mal umarmen sollte. Der verhängnisvolle Unfall, eine Verkettung mehrerer unglücklicher Umstände, der der kleinen Hannah beide Elternteile raubte, ereignete sich fünfeinhalb Jahre später auf einer regennassen Küstenstraße irgendwo zwischen El Puerto und Cádiz.
    Hannah zählte etwas über vier Jahre. Ein schüchternes Mädchen mit langen kastanienbraunen Zöpfen und seegrünen Augen, ein Erbe ihrer Mutter. In der ersten Zeit hatte Eliza Mae Hannah kaum ansehen können, ohne jedes Mal einen schmerzlichen Stich in der Brust zu verspüren, so sehr ähnelte das Kind ihrer Holly Jane. Nur das energische Kinn und das kräftige Haar erinnerten an Hollys Mann Matthew. Als Hannah vor ihr stand, sich an der schlichten Baumwollstrickjacke einer Dame der Jugendfürsorge festhielt und einen ramponierten Stoffhasen namens Mister Wobbles an den Bauch presste, verwandelten sich Eliza Maes Knie in Pudding. Wie sollte sie sich um diese Kleine kümmern? Dieses Kind, das seine Großmutter nur von Bildern und aus Erzählungen kannte und sie verängstigt anstarrte, während Eliza Mae hart schluckte, um die aufsteigenden Tränen zu bekämpfen. Sie bemühte sich um ein Lächeln.
    »Hallo, kleine Dame.« Sie bückte sich, um dem Mädchen ins Gesicht sehen zu können. »Schön, dass du hier bist.«
    Das Kind verzog keine Miene.
    »Möchtest du ein Weilchen bei mir bleiben, damit wir beide uns Gesellschaft leisten können?« Einladend streckte Eliza Mae ihre Hand aus.
    Noch immer zeigte Hannah keine Regung, aber als Eliza Mae ihren Arm zurückzog, klammerte sich das Kind unvermittelt wie eine Ertrinkende an seine Großmutter.
    »Lassen Sie uns hineingehen«, entschied die Dame von der Fürsorge kurzerhand, offensichtlich unberührt von der Szene, die sich gerade vor ihren Augen abspielte, »damit wir die Formalitäten erledigen können.«
    Eliza Mae richtete sich auf, um der anderen Frau ins Gesicht zu blicken. Sie registrierte die kühlen hellen Augen und die scheinbare Teilnahmslosigkeit in ihnen. Aber was hatte sie erwartet? Die Frau machte nur ihre Arbeit. Wahrscheinlich hatte sie bereits etliche Fälle wie diesen erlebt.
    Sie straffte ihren Rücken. »Natürlich. Gehen wir ins Haus.« Wie sollte sie einem kleinen Mädchen von vier Jahren gerecht werden? Würde sie es schaffen, sich angemessen um das Kind zu kümmern? Sie verspürte eine tiefe Besorgnis, denn sie fürchtete, dass sie dieser Aufgabe nicht gewachsen sein könnte. Eigentlich fühlte sie sich zu alt, um noch einmal von vorn zu beginnen. Aber sie wäre nicht Eliza Mae Mitchell, wenn sie sich dieser Herausforderung nicht stellen würde. Sie nahm der Dame den Koffer ab und schritt mit der Kleinen an der Hand resolut voran.
     
    Später saßen sie in der gemütlichen Küche beieinander, nur das Kind und sie. Eliza hatte sich einen starken Kaffee gebraut, eine Karaffe selbst gemachter Zitronenlimonade und eine Schale mit Schokoladenplätzchen standen für die Kleine bereit. Eliza häufte Zucker in ihren Kaffee und rührte in ihrer Tasse.
    »Ich bin froh, dass du bei mir bist.« Sie legte den Löffel ab und schob den Teller mit dem Gebäck ein wenig näher in Hannahs Richtung.
    Die Kleine reagierte nicht. Sie hielt Mister Wobbles fest an ihre Brust gedrückt und fixierte mit starrem Blick die gestreifte Tapete an der gegenüberliegenden Wand.
    »Ich weiß,

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