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Hannahs Entscheidung

Hannahs Entscheidung

Titel: Hannahs Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Sunday
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missbilligend die schmalen Lippen. Inzwischen platzte sie schier vor Neugier und reckte den Hals, um mitzubekommen, was drüben auf dem Nachbaranwesen geschah. In einem ungünstigen Moment, als Dolores dummerweise das Badezimmer aufsuchen musste – was in ihrem Alter leider in regelmäßigen Abständen nötig war, wenn sie Tee trank – hatte der Unbekannte Fairview anscheinend wieder verlassen. Denn als Dolores zu ihrem Beobachtungsposten zurückkehrte, musste sie zu ihrem Bedauern feststellen, dass der dunkle Pick-up verschwunden war. In der darauffolgenden Nacht erwachte sie wie üblich und tätigte ihren Gang zur Toilette. Dabei fiel ihr auf, dass drüben in Elizas Wohnzimmer Licht brannte. Und das um drei Uhr morgens! Es war in der Tat sehr seltsam. Als am nächsten Morgen noch immer Licht durch die Lücken der Jalousie von Eliza Maes Wohnzimmerfenster fiel, fasste Dolores einen Entschluss. Entschieden presste sie die Lippen aufeinander und marschierte strammen Schrittes hinüber zum Haus ihrer Nachbarin. Nun stand sie unverrichteter Dinge vor der verschlossenen Haustür, genauso schlau wie zuvor. Sie zögerte einen kurzen Moment, sah sich verstohlen nach allen Seiten um und bückte sich mit heißen Wangen nach dem tönernen Blumentopf, in dem der weiße Oleander blühte. Das, was sie vorhatte, hatte sie in all den Jahren noch nie getan. Sie wusste, dass Eliza einen Ersatzschlüssel unter dem Topf aufbewahrte. Normalerweise würde sie natürlich niemals ungebeten in ein Haus eindringen, das nicht das ihre war – nicht Dolores Jenkins – aber in dieser Situation sah sie sich gezwungen, ihren Vorsatz zu brechen. Irgendetwas stimmte hier nicht. Vielleicht war ihre Nachbarin in Not und brauchte Hilfe. Mit pochendem Herzen richtete sich Dolores auf, schob die Brille auf ihren Nasenrücken zurück und steckte den Schlüssel ins Türschloss.
     
    *
     
    Unvermittelt trat Shane auf die Bremse. Er legte den Rückwärtsgang ein. Langsam ließ er den Dodge zurückrollen, während er den Blick auf die linke Straßenseite geheftet hielt. Volltreffer. Er wollte verdammt sein, wenn das dort auf der Hebebühne der schäbigen kleinen Werkstatt nicht Hannahs alte Klapperkiste war. Er würde den Toyota überall wiedererkennen. Auf seinem Heck prangte ein hässlicher North Carolina Aufkleber. Shane hatte Hannah immer gedrängt, das Teil zu entfernen, denn immerhin war sie seit neun Jahren ein Buckeye Girl, doch sie hatte sich standhaft geweigert. »Lass mir doch das Stückchen Heimat«, hatte sie geantwortet. Kurz entschlossen bog er in die staubige Hofeinfahrt und parkte. Joe’s Werkstatt und Auto Parts verkündeten großspurig rote Letter auf dem schlichten, ehemals weiß getünchten Backsteinbau. Shanes Herz pochte erwartungsvoll, als er die Tür aufriss. Hinter der Theke lungerte Zeitung lesend ein hagerer Kerl. Shane stürmte auf ihn zu. »Ich suche eine Frau.«
    Gemächlich faltete der Mann seine Zeitung zusammen, bevor er Shane seine Aufmerksamkeit schenkte. »Tun wir das nicht alle?« Kaum hatte er Shanes vernichtenden Blick erfasst, erstarb sein anzügliches Grinsen.
    »Hören Sie zu«, zischte Shane. »Ich bin nicht zum Quasseln vorbeigekommen. Ich suche meine Frau. Klein, zierlich, dunkle kurze Haare. Ihr gehört der silberne Camry da draußen. Also«, er beugte sich über die Theke und packte den Typen am Kragen, um das Namensschild auf dem speckigen Blaumann zu entziffern. »Drew. Können Sie mir sagen, wo sie sich aufhält?«
    Drew registrierte Shanes tätowierte Unterarme, und seine Hautfarbe intensivierte sich. »Tut mir leid, Mann. Ich hab keine Ahnung. Bin nur ab und an hier. Der Boss müsste in einer Stunde wieder da sein.«
    »Shit.« Shane gab Drew frei und ließ seine Faust auf die Theke sausen. Wo in aller Welt steckte das Weibsbild? Das Auto war hier. Sie konnte nicht weit sein. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, als er Drew abermals einer eingehenden Musterung unterzog. Konnte er dem Kerl trauen? Sagte er die Wahrheit? Shane entging nicht, wie der Adamsapfel des Mannes nervös auf und ab hüpfte.
    »Hören Sie. Ich will keinen Ärger.«
    »Okay. Möchten Sie vielleicht noch einmal scharf nachdenken?«
    »Sie suchen jemanden?«
    Überrascht drehte sich Shane nach der weiblichen Stimme um. Eine hochgewachsene Blondine stand in der Tür. Sie hielt eine Aktentasche unter den rechten Arm geklemmt und taxierte ihn aus eisblauen Augen. Ihre weiblichen Formen hatte sie mit einer schimmernden engen

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