Hannahs Entscheidung
Anstalten machte, ihm das Kärtchen abzunehmen, zwinkerte er ihr zu. »Also die meisten Damen freuen sich, wenn ich mit einem hübschen Strauß vor ihrer Tür auftauche.«
»Entschuldigen Sie bitte.« Hannah atmete tief durch. »Natürlich freue ich mich, danke.« Sie steckte die Karte zu den Blumen. Ohne den jungen Mann noch einmal anzusehen oder ihm mit einem Trinkgeld zu danken, drehte sie sich um und schloss die Tür hinter sich. Ihre Hände zitterten leicht, als sie das Kärtchen aus dem Papier zog.
Für Hannah. Es tut mir leid. S.
Sie erstarrte. Las den Satz noch einmal. Und noch einmal. Eine schreckliche Vermutung beschlich sie. Wer außer Shane wusste, dass sie die Leidenschaft für Gladiolen mit Ellie teilte? Wie in Zeitlupe schüttelte sie den Kopf. Nein. Unmöglich. Das musste ein übler Scherz sein. Shane konnte ihr keine Blumen geschickt haben. Er wusste nicht, dass sie sich in Willow Creek aufhielt. Ausgeschlossen. Nur Ellie kannte ihren Aufenthaltsort. Tausend wirre, beunruhigende Überlegungen wirbelten gleichzeitig durch ihren Kopf. Nein, es konnte nicht sein.
Stirnrunzelnd studierte sie erneut die in Druckbuchstaben aufgeschriebenen Worte. Wer aber konnte S sein, wenn es nicht Shane war? Sie stutzte. Unsinn. Fast hätte sie laut aufgelacht. Dieser Gedanke war völlig absurd. Warum sollte er das tun? Würde Sam Parker ihr Blumen schicken? Ausgerechnet er? Sonst war er doch auch kein Freund guter Manieren. Nachdenklich vergrub sie die Nase in dem duftenden Meer aus roten Blüten. Bereute er, dass er sie so unhöflich behandelt hatte? Sollte das eine Art Wiedergutmachung sein? Sie ging mit dem Strauß in die Küche, durchforstete die Schränke nach einem passenden Gefäß. Nachdem sie die Blumen aus dem Papier befreit hatte, füllte sie eine weiße Porzellanvase, die sie in der hintersten Ecke des altmodischen Küchenschranks entdeckt hatte, mit kaltem Wasser und stellte sie hinein. Sie musste zugeben, es war ein sehr hübscher Strauß. Das zarte Schleierkraut bot eine perfekte Ergänzung zu der kräftigen Farbe der Schwertlilienblüten. Unter anderen Umständen hätte sie sich über diesen netten Gruß gefreut. Der Gedanke allerdings, dass sich Sam Parker bei ihr auf diese Art entschuldigen wollte, hinterließ einen bitteren Beigeschmack. Auch wenn es eine nette Geste war, konnte sie ihm sein ruppiges Verhalten nicht so einfach verzeihen.
Eigentlich hatte sie gehofft, ihm niemals wieder begegnen zu müssen, doch jetzt war sie tatsächlich froh, als sie seinen dunklen Haarschopf unten im Café entdeckte. Sie stieß einen zufriedenen Laut aus. Genau der Mann, den sie suchte. Sie stürmte auf ihn zu. »Es war nicht nötig, dass Sie das tun.«
Sam, der gerade seinen Kaffee austrank, hielt in der Bewegung inne. Über den Rand seiner Tasse hinweg starrte er Hannah an. »Nicht nötig?«, wiederholte er, als hätte er sie nicht richtig verstanden.
»Auch wenn ich zugeben muss, dass Sie zufällig meinen Geschmack getroffen haben.«
Er hob fragend eine Braue, dann trat ein belustigtes Funkeln in seine grauen Augen. »So, habe ich das ?« Er stellte seine Tasse ab, um Hannah in aller Ruhe zu mustern. Seine Reaktion verwirrte sie.
»Ich liebe Schwertlilien. Natürlich konnten Sie das nicht wissen. Der Strauß ist hübsch, aber wie ich schon sagte …«
»Der Strauß. Verstehe.« Sam nickte bedächtig, als hätte er es mit einer Irren zu tun. Er langte nach seinem Stetson, der griffbereit vor ihm lag, und stand auf.
Sie wich beiseite. »Die Schwertlilien. Ich spreche über die Blumen.« Schon wieder machte er sie wütend.
»Ach so.« Er zwinkerte ihr zu, aber es war keine nette Geste. »Lasst Blumen sprechen, heißt es ja immer.«
Dieser Kerl war einfach unverschämt. Ungehobelt und frech. Aber dies war nun beileibe keine neue Erkenntnis. So langsam glaubte sie zu wissen, wie er tickte. »Jedenfalls danke«, erwiderte sie kühl. »Sie sind wirklich bezaubernd.«
Erneut flog eine dunkle Augenbraue nach oben.
Hannah fühlte Hitze aufsteigen. Verdammt. Verstand er absichtlich alles falsch? »Die Blumen«, ergänzte sie fast trotzig und machte es damit nur schlimmer.
Sam begann, lauthals zu lachen. Die beiden älteren Ladys am anderen Ende des Raums warfen ihnen missbilligende Blicke zu. »Ich muss zugeben, dass mir noch immer nicht ganz klar ist, worauf Sie hinauswollen«, japste Sam, »aber das Gespräch ist nicht uninteressant.«
In Hannah wallte Zorn auf. »Jetzt tun Sie doch nicht so
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