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Hannas Entscheidung

Hannas Entscheidung

Titel: Hannas Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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herunterzuzählen. Paul starrte Hanna an. Die drehte den Laptop zu sich herüber. Als Nächstes tippte sie FFFB00D870131 ein. Die Uhr beschleunigte sich. Sie spürte den Stress, ignorierte sowohl die beiden Männer als auch die Uhr und schloss einfach die Augen. Also gut, Viktor, was hast du gedacht? Und dann wusste sie es. FFFB00H870131. Die Mitte! Die Mitte musste durch den Anfangsbuchstaben ihres Vornamens ausgetauscht werden.
    Das Fenster verschwand. »Hallo Hanna« erschien stattdessen, dann ein neues Wort: »Einmal« und ein Feld. Verwirrt starrte sie auf das Wort, wusste nicht, was sie damit anfangen sollte. Was einmal? Und dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Ihr achtzehnter Geburtstag. Marie und Lukas – ihr Wunsch an ihn. Sie fing an zu tippen. 20000307 – ihr Geburtstag, doch mehr als vier Stellen gingen nicht. Sie stoppte, korrigierte und gab 2000 ein. Das Programm startete. Paul übernahm seinen Rechner, während Hanna aufstand. Sie musste hier raus, einen Moment für sich sein.
    Sie schloss die Kabinentür ab und setzte sich auf den Toilettendeckel. Auch im Waschraum gab es kein Fenster. Jetzt keine Panik bekommen, dachte sie bei sich. Aufgewühlt von der Suche nach dem Passwort bekam sie ihre Phobie, unter der Erde eingesperrt zu sein, nicht in den Griff, legte ihre Hände übers Gesicht, atmete in den Hohlraum.
    »Hanna! Alles klar?«, hörte sie Ben rufen.
    Nein. Gar nichts war klar. Ihr Atem wurde hektischer. Ein lautes Geräusch durchschnitt die Stille im Raum. Es begann, in ihren Ohren zu sausen. Alles verschwamm.
    »Hanna!« Es rüttelte an der Tür. »Mach auf!«
    Sie hörte seine Faustschläge auf der Tür, aber sie konnte sich nicht bewegen, ihre Beine nicht zwingen, einen Schritt zu gehen.
    Ben landete einen gezielten Tritt, und die Tür knallte gegen die Toilettenwand. Er packte Hanna an den Schultern. »Hanna!«
    Sie verkrampfte sich, presste die Hände noch stärker vor ihr Gesicht.
     
    Ben hatte keine Ahnung, was los war. Kalter Schweiß bedeckte ihre Haut, und was er von ihrem Gesicht sehen konnte, hatte die Farbe von Asche. Als sie den Raum verließ, hatte er gemerkt, dass etwas nicht mit ihr stimmte. Ihr Gang war unsicher gewesen. Sie war schon blass geworden, als sie die letzte Kombination über die Tastatur eingegeben hatte.
    Weil er sich keinen Rat wusste, trug er sie aus der Toilette hinaus. Mit dem Ellenbogen öffnete er einen der Besprechungsräume und drückte auf den Lichtschalter. Vorsichtig legte er sie auf dem Boden ab, holte einen Stuhl und hob ihre Beine darauf.
    Hanna ließ es geschehen, starrte an die Decke.
    Er nahm ihr Handgelenk und fühlte, wie ihr Puls flatterte. Hanna bewegte die Lippen, als wollte sie etwas sagen, aber es kam kein Laut darüber. Er beugte sich vor, strich ihr das Haar aus dem Gesicht, umfasste ihren Kopf mit den Händen und zwang sie so, ihn anzusehen.
    »Raus«, wisperte sie, und er verstand.
     
    Erst als sie im Gras vor dem Gebäude lag, die Füße hochgestreckt an der Wand, beruhigte sich ihr Atem. Einer der Männer hatte ihn gefragt, ob sie einen Arzt rufen sollten, doch er hatte abgewinkt. Stattdessen forderte er einen Schokoriegel an und eine Cola, stützte sie beim Trinken, während sie schluckweise die Flasche leerte. Jetzt knabberte sie den Riegel, wobei das Grau in ihrem Gesicht zu Weiss wurde.
    »Hast du so was öfter?«, versuchte er die Situation zu entspannen.
    »Nein.«
    »Das erste Mal?«
    Ihre blauen Augen fingen an zu schwimmen. »Nein.«
    Er nahm ihre Hand, streichelte sie und wartete ruhig.
    Gierig zog sie die Luft ein, schloss die Augen und spürte der Wärme der Sonnenstrahlen auf ihrer Haut. Verdammt, warum musste er sie immer in ihren schwächsten Momenten erwischen? Dankbar, dass er schwieg und sie in Ruhe ließ, atmete sie weiter tief ein und aus, bis sie fühlte, wie die Kälte aus ihren Knochen verschwand.
    Es tat weh zu erkennen, dass sie mit Viktors Gefühlen gespielt hatte. Ihr war bis zu dem Augenblick, als sie die Zahl in diese leblose Maschine eingetippt hatte, nicht klar gewesen, dass er sie liebte – genauso schmerzhaft und hoffnungslos, wie sie diesen Mann liebte, der jetzt ihre Hand hielt. Sie hatte Viktor nie wehtun wollen. Warum hatte er nie etwas gesagt? Nie den Versuch unternommen, ihr zu erklären, was er für sie empfand? Doch, er hatte es. Hunderte von Malen. Sie hörte seine Stimme, wie er scherzte: Du hältst es schon zwölf Jahre mit mir aus. – Ja, aber nur weil ich ein gutmütiges

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