Hannas Entscheidung
grinste sie ihn schelmisch an. Sie legte das Buch beiseite, setzte einen Fuß auf die Stuhlkante und trank einen Schluck Kaffee.
Er spürte ihre Körperwärme, roch die herben Kräuter seines eigenen Duschgels. Sie strich sich die Haare hinters Ohr und die scharfe Linie ihres Jochbeins gab ihrem Gesicht ein klassisches Aussehen. Die volle untere Lippe, die sie gerade zwischen die Zähne zog, würde sich weicher anfühlen als seine.
Sie schielte zu ihm rüber. »Was ist?«
»Danke.« Die Wange auf dem Knie, sah sie ihn zwischen dichten Wimpern hindurch an, die Stirn kraus.
»Für das kleine Kompliment? Gern geschehen.«
»Für deine Freundschaft mit Lisa.«
»Nein, anders herum. Ich muss Danke sagen. Ohne sie wäre ich nicht mehr am Leben.«
»Das ist was anderes, es ist ihr Job. Aber ohne dich hätte sie ihre Hoffnung verloren.« Ben spürte ein Kribbeln in seiner Magengegend, als Hanna ihn ansah. Die Luft blieb ihm weg. Die Erinnerung an das letzte Mal, als sich dieses leuchtende Blau so intensiv auf ihn gerichtet hatte, kam hoch. Bevor er sie stoppen konnte, sprach sie.
»Danke, Ben.«
In seinem Kopf drehte es sich, die Worte bildeten keinen Sinn in seinem Gehirn, weil er andere erwartet hatte, gedacht hatte, dass sie ihm ein zweites Mal sagen würde, dass sie ihn liebte. Sie lachte. Lachte sie über ihn? »Was ist?«
»Danke. Ich glaube, ich habe mich nie dafür bedankt, dass du mir zweimal das Leben gerettet hast.«
Vorsichtig ließ er Luft in seine Lungen. Mit einem Danke konnte er umgehen.
»Was dachtest du, dass ich sagen würde?«
»Wieso hast du einen Kardinal zum Patenonkel?« Ihm fiel nichts Besseres ein, um sie von dem Pfad, auf dem sie sich bewegten, abzulenken. Noch immer steckte das Lächeln in ihren Mundwinkeln, das warme Leuchten in ihren Augen, das ihn bis ins Mark traf.
»Mein Vater und Onkel Richard haben zusammen Theologie studiert und sind gemeinsam im Priesterseminar gewesen.«
»Hatte dein Vater keine Geschwister?«
»Doch, zwei Brüder, Michael und Raphael. Michael ist auch mein Patenonkel. Raphael ist der Patenonkel von Marie, und Susan ist ihre Patentante.«
»Susan Paxton?«
»Ja, eine der wenigen Freundinnen, die Mama blieben, nachdem sie sich von Armin getrennt hatte wegen Papa. Mama hat keine Geschwister.«
»Wie lange war deine Mutter mit Armin zusammen, bevor dein Vater dazwischenkam?«
»Drei Jahre – das überrascht dich nicht?«
»Weil ich es wusste.«
»Woher?«
»Ich hab meine Quellen. Wieso hat deine Mutter Armin den Laufpass gegeben und sich mit einem Priester eingelassen?«
»Weil sie sich unsterblich ineinander verliebt hatten.«
Er fuhr sich durch das Haar, wich ihrem amüsierten Blick aus. Er erinnerte sich an das Gesicht des Kardinals, als er ihm von Silvia erzählte. Auch der Kardinal hatte diese Liebe zwischen seinem Freund und Priesterkollegen und Hannas Mutter nicht aufhalten können. Aber schließlich war Silvia inzwischen mit Armin verheiratet. »Unsterblich.«
Hanna nickte. »Ich weiß, für dich sieht das nicht so aus, weil sie heute mit Armin verheiratet ist, aber ihr Herz gehört Papa und das wird sich nie ändern.«
»Hanna ...« Er überlegte, wie er ihr die Realität vor Augen führen konnte. Ihre eigene Mutter hatte die ermordete Tochter verraten, hatte dafür gesorgt, dass der Mann, der ihr so viel angetan hatte, billig davonkam. Wie konnte sie das ihrem Kind antun, wenn sie dessen Vater immer noch liebte?
Hanna wartete nicht, bis er weitersprach. »Willst du die Geschichte hören?«
Er nickte. Sie setzte ihr Kinn auf die Kniespitze, starrte auf die gegenüberliegende Wand.
»Mama war mit ihrer Krankenschwesternausbildung fertig. Als Armin ihr einen Heiratsantrag machte, nahm sie ihn an.«
»Sie waren verlobt?«
»Ja.«
Wow. Was er bisher von Silvia gehört und erlebt hatte, passte nicht ins Bild dieser zarten, zerbrechlichen Person.
»Sie meldete sich dann für ein soziales Jahr im Ausland.«
»Stopp. Sie macht die Ausbildung fertig, verlobt sich und haut dann ab?«
»Ja.« Hanna wandte sich ihm zu, zog die Augenbrauen hoch. »Willst du die Geschichte hören oder nicht?«
Er hob beschwichtigend die Hände. Er musste die Geschichte jetzt hören, sonst würde ihn sein Unwissen und die Neugierde verrückt machen.
»Sie ist in ein Flüchtlingslager nach Somalia gegangen – mit dem Verein ‚Cap Anamur Deutsche Notärzte‘. Papa befand sich auch dort unten.«
»Was suchte er da?«
»Koordinierte die Hilfsmaßnamen der
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