Hannas Entscheidung
er hat mitbekommen, dass Sie ein gewisses Interesse am Verbleib von Sabine Schmidt bekundet haben.«
»Interessant, und woher?«
Sein Gegenüber lächelte wortlos. Ohne eine weitere Antwort von ihm abzuwarten, drehte der Mann sich um. Ben wendete die Karte, fand aber keine Adresse außer der vom Institut.
»Woher ...«
Der Mann hob im Weggehen die Hand hoch, wandte sich ihm aber nochmals zu. »Oh, ich vergaß, ein Wagen wird Sie gegen halb acht vor dem Hotel abholen.«
»Das Projekt wird auf der kirchlichen Seite von Kardinal Richard Voigt betreut.« Der Oberst machte am anderen Ende der Leitung eine bedeutungsvolle Pause, als müsste Ben der Name etwas sagen.
Er schwieg, wartete auf eine Erklärung.
»Kardinal Richard Voigt ist der Patenonkel von Hanna.«
»Sie hat einen Kardinal als Patenonkel?«
»Ja. Ihr Vater war vor seiner Heirat katholischer Priester, und Richard Voigt hat mit ihm zusammen studiert.«
»Ich dachte, katholische Priester dürften nicht heiraten.«
»Weshalb er sein Amt niederlegte.«
»So was funktioniert?«
»Ja, scheint nur komplizierter zu sein.«
»Kennen Sie den Kardinal?«
»Ich habe ihn damals im Krankenhaus kennengelernt. Ein sehr interessanter Mensch. Er wollte Hanna zu sich holen nach der Sache. Ich habe versucht, ihm klar zu machen, dass er seinen Einfluss auf sie geltend machen sollte, damit wir an die Drahtzieher ihrer Entführung herankommen könnten.«
»Und?«
»Er hat getan, was er konnte.«
»Das ist kein Zufall«, stellte Ben nach einer Pause fest. »Professor Bartoli lädt Hanna alias Sabine Schmidt zu dem Kirchenprojekt ein, und dahinter verbirgt sich ihr Patenonkel.«
»Verdammt, Wahlstrom, ich bekomme langsam das Gefühl, dieses dämliche Zeugenschutzprogramm hat überhaupt nicht funktioniert. Ich möchte, dass Sie sich sofort melden, wenn Sie heute Abend zurückkommen, egal wie spät es ist.«
»Diese Männer, die mir gefolgt sind ...«
»Keiner von Ihnen ist aktenkundig.«
»Aber der Typ hat mir die Einladung des Professors übergeben.«
»Was heißt, Sie sollten vorsichtig sein. Sie wissen, dass auch die Kirche kein unbeschriebenes Blatt ist, wenn es um Geheimorganisationen geht. Niemand weiß mit Sicherheit, wo überall Sie ihre Finger mit im Spiel hat.«
»Was Neues wegen Lukas Benner?«
»Nein, sie schließen einen Mord zwar nicht völlig aus, aber eine natürliche Todesursache ist derzeit eher anzunehmen.«
»Was ist mit dieser Tante, die sie in Hannas Lebenslauf integriert haben?«
»Sie hat sie tatsächlich besucht. Mehr als einmal. Außerdem schreibt sie ihr regelmäßig.«
Diese Information überraschte Ben nicht. »Und hat das Heim sie angerufen?«
»Nein, derzeit geht es der Frau den Umständen entsprechend gut.«
»Also können wir ausschließen, dass Hanna ihretwegen nach Deutschland abgereist ist. Was ist mit dem Brief?«
»Echt. Aber das will nicht wirklich etwas heißen.«
»Also gut, dann warten wir ab, was das Abendessen bringt.«
Pünktlich um halb acht betrat ein Mann in schwarzer Hose, kurzärmeligem, weißem Hemd und Pullover über der Schulter die Lobby und ging zielstrebig auf Ben zu.
»Herr Eickhoff?«
»Hatten Sie ein Bild von mir?« Den Spruch konnte sich Ben nicht verkneifen. Er hatte keine Waffe dabei und bereute es schon. Irgendwie gefiel ihm das Ganze nicht, und er war körperlich noch nicht wieder so weit hergestellt, dass er sich einen Kampf mit mehr als zwei Gegnern zutraute.
Statt darauf einzugehen, wandte sich der Mann schon wieder dem Ausgang zu, und Ben blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.
Zu seinem Erstaunen fuhren sie nicht in Richtung des Vatikans, sondern über den Tiber. Sie passierten die Villa Borghese, den Hauptbahnhof und die Piazza dei Re di Roma. Erst, als die Straße sehr schmal wurde, sich die Landschaft veränderte, als befänden sie sich außerhalb auf dem Land, bog der Wagen in eine Kiesauffahrt, und eine kleine Villa erschien hinter alten Pinien. Sie hielten, und der Fahrer öffnete ihm die Tür.
An der Haustür erwartete ihn eine ältere Frau in einem eleganten schwarzen Kleid, das Haar in einem strengen Dutt. Sie deutete ihm an, ihr zu folgen, führte ihn durch einen Flur in ein Zimmer, dessen breite Fensterfront den Blick auf eine Terrasse freigab. Dort saßen zwei Männer an einem gedeckten Tisch und unterhielten sich leise.
»Signor Eickhoff, Exzellenz.«
Die beiden Männer erhoben sich vom Tisch, als Ben herantrat. Unsicher, welche Begrüßung wohl
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