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Hannas Entscheidung

Hannas Entscheidung

Titel: Hannas Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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ein Kardinal erwartete, reichte Ben zuerst dem Professor die Hand. Als er sich zum Gastgeber wandte, sah er die Lachfältchen in dessen Augenwinkeln, die hell bernsteinfarbenen Augen funkelten vergnügt, und ein Lächeln lag auf seinen Lippen. Bevor Ben etwas unternehmen konnte, hatte der Kardinal bereits seine Hand mit beiden Händen ergriffen und umschloss sie so, während er sie schüttelte. »Keine Sorge, mein Sohn, ich werde Sie nicht gleich beißen.« Er deute auf den dritten gedeckten Platz. »Setzen Sie sich doch. Bevorzugen Sie einen Weißwein oder Rotwein?«
    »Was haben Sie zur Auswahl?«
    »Oh, ich sehe – ein Mann mit Ansprüchen. Beide Weine stammen vom Castello di Magione: ein Grechetto Umbria und ein Carpaneto Rosso del Trasimeno. Beides hervorragende vollmundige und fruchtige Weine.«
    »In diesem Fall nehme ich den Grechetto Umbria.«
    Unverhohlen musterte ihn der Kardinal, während die Frau eine gekühlte Flasche öffnete, ihm einen kleinen Schluck einschenkte, wartete, bis er den Wein gekostet hatte, und ihm nach einer Bestätigung seinerseits das Glas füllte.
    »Und – mundet Ihnen der Wein?«
    »Er ist ausgezeichnet.«
    »Kennen Sie das Castello di Magione?«
    »Ich muss gestehen, nein.« Bisher verlief die Begegnung anders, als es Ben erwartete. Dabei war er gar nicht sicher gewesen, was er erwartet hatte. Die Atmosphäre war locker und entspannt, weder steif noch förmlich. Hannas Patenonkel besaß Größe. Auch er entsprach nicht dem Bild, das er sich von einem Kardinal gemacht hatte. Der Mann war schlank, hatte breite Schultern, und seine wenigen Bewegungen zeugten von Effizienz. Sein Humor blitzte aus seinen Augen, und doch gab es darunter eine wache Intelligenz, die Ben nicht zu unterschätzen gedachte. Professor Bartoli hingegen wirkte in natura nun doch eher wie ein Professor. Mit gerunzelter Stirn ließ er den Rotwein in seinem Glas kreisen und wirkte geistesabwesend.
    »Es wurde in der Zeit von elfhundertfünfzig bis elfhundertsiebzig von den Malteserrittern erbaut und sollte als Hospitium für die nach Rom oder Jerusalem wallfahrenden Pilger dienen. Vierzehnhunderteinundsiebzig verwandelte man es in ein Schloss, und es dient nun als Verwaltungssitz des gleichnamigen Landwirtschaftsbetriebs. Außerdem ist es weiterhin der Sommersitz des Oberhauptes des Malteserordens.«
    »Sind Sie ein Malteserritter?«
    Der Kardinal lachte nur und trank einen Schluck von seinem Grechetto Umbria, den die Haushälterin – oder welche Funktion auch immer diese Frau innehatte – ihm nach seinem Gast eingeschenkt hatte.
    Eine Platte mit frischen Melonen und Prosciutto kam auf den Tisch, und während sich Ben etwas davon auf den Teller lud, verkniff er sich andere Fragen, die ihm auf der Zunge brannten. Sie hatten ihn eingeladen. Er würde warten und sich gedulden.
    »Lieber Bartoli, Sie wollten mir vor dem Erscheinen unseres Gastes gerade erzählen, wie es mit unserem gemeinsamen Projekt aussieht. Was denken Sie, wie viel Zeit Sie noch benötigen, bis wir alles erfasst haben?«
    »Hm?« Verwirrt sah der Angesprochene auf.
    »San Carlo alle Quattro Fontane?«
    »Oh, ich denke, wir werden mit den Barock-Kirchen im Juni fertig sein.«
    Sie plauderten weiter über den Zeitplan, über Kirchen und Zustände von Kunstwerken. Ben nannte das die Lass-ihn-zappeln-Taktik. Erst, als sie die Profiteroles erreichten und der Espresso serviert wurde, wandte sich sein Gastgeber wieder an ihn.
    »Sie scheinen nicht neugierig zu sein, weshalb wir Sie eingeladen haben.«
    »Ich gehe davon aus, dass Sie es mir sagen werden.«
    Ein amüsierter Gesichtsausdruck erschien auf dem Gesicht des Kardinals. »Ich sehe, Major Wahlstrom, Sie haben eine ausgezeichnete Ausbildung genossen. Oh, es stört Sie doch nicht, wenn ich Sie mit ihrem richtigen Namen anspreche, oder?«
    Langsam setzte Ben das geleerte italienische Kaffeetässchen zurück. Wunderte es ihn, dass sein Gastgeber wusste, wer er war? Ja, und doch wieder nicht. Der Mann musste über eine kleine Spionagearmee verfügen.
    »So kompliziert ist es nicht, Major Wahlstrom«, setzte der Kardinal zu einer Erklärung an, als könnte er seine Gedanken erraten. »Sie waren mit meinem Patenkind auf dem Petersplatz, als Sie einen kleinen Zusammenbruch erlitten. Hanna hat Sie in Ihre Pension gebracht und ist bei Ihnen geblieben. Ein wenig Farbe im Haar und eine Änderung des Outfits macht Sie nicht unkenntlich.«
    »Es überrascht mich nur, dass Sie bei Ihrem sicherlich

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