Hannas Entscheidung
Stewardess angeflogen hatte. Eine furchtbare Art, sein Geld zu verdienen, fand Hanna. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass ihre Schwester überfällig war. Seufzend beschloss sie, sich schon mal zum Schlafen fertigzumachen.
Erschrocken zuckte sie zusammen, als sich die Badezimmertür öffnete.
Marie zog sie in die Arme, schob sie von sich, tastete sie mit den Händen ab, als müsste sie sichergehen, dass sie keinen Geist vor sich hatte. »Du lebst. Du lebst wirklich.« Fassungslos schüttelte sie den Kopf.
»Es tut mir leid. Ich wollte dir und Mama nicht wehtun.«
Marie legte ihr den Finger auf den Mund. »Mir tut es leid. Wäre ich nicht so dumm gewesen –« Sie brach ab, wandte sich um und ging ins Wohnzimmer. Mit einem Stöhnen ließ sie sich auf den Sessel fallen.
Hanna ging ihr nach. »Wer sind die Männer, die dir folgen?«
»Bodyguards, die mich beschützen sollen.«
»Du hast Bodyguards engagiert?«
»Nein, Armin oder eher dieser Wolff.« Marie verzog das Gesicht.
»Wie bist du ihnen entwischt?«
Solange waren ihre Gedanken darum gekreist, ob Marie sie doch in irgendeiner Weise verraten hatte, dass sie ihr Misstrauen nicht einfach beiseiteschieben konnte. Dass Marie den Namen ihres Stiefvaters wieder angenommen hatte, trug nicht gerade dazu bei, dass sie einfach auf die tiefe Verbundenheit mit ihrer Zwillingsschwester vertrauen konnte.
»Gar nicht. Abends wird der Dienst auf einen reduziert – wegen der Kosten.« Ein schwaches Lächeln erschien auf ihren Lippen. »Ich wusste, dass Fred heute Dienst hat. Er ist ziemlich gut im Bett, musst du wissen.«
»Du schläfst mit einem von denen?«
»Ja, und du kannst froh darum sein, sonst wäre ich jetzt nicht hier.«
»Du vertraust ihm, weil er mit dir schläft?«
»Nein, aber weil ich ihm ein Schlafmittel gegeben habe, das ihn für die nächsten vier Stunden garantiert im Land der Träume festhält.« Ihre Schwester strich sich mit der Hand durch die Haare. »Schau mich nicht so entsetzt an. Ich arbeite in einem Pharmakonzern, vergessen? Ich weiß, wie ich was dosieren muss. Ich bringe ihn damit nicht um.«
Langsam ließ sich Hanna ihr gegenüber auf der Couch nieder. Ihre Schwester stellte einen Mann, mit dem sie im Bett war, mit einem Schlafmittel ruhig, damit sie sich mit ihr treffen konnte. Das musste sie erst mal verdauen.
»Du hast von vielen Dingen keine Ahnung, Hanna. Wenn du ehrlich zu dir bist, weißt du selbst, dass du vor vielen Sachen deine Augen verschlossen hast. Ich habe Tabletten genommen und war kurz davor, als Alkoholikerin zu gelten. Es ist an der Zeit, dass wir beide ehrlich zueinander sind und aufhören, uns etwas vorzuspielen. – Wir haben nur uns.«
»Also gut. Fangen wir an: Ifechi, Moswen, Saburi, Afya, Maalik, Haiba, Tabita, Tutu, Dupe, Ezeoha, Rabuwa, Rukia Mutai, Ochuko Mutai, Frederike Schneider«, zählte sie langsam mit leiser Stimme auf. »Sie alle sind tot.«
Bei ihren Worten stiegen Marie die Tränen in die Augen und flossen langsam die Wange herab, aber davon ließ Hanna sich diesmal nicht erweichen. Sie wollte die Wahrheit wissen.
»Ich wollte nicht, dass sie sterben – bei keinem von ihnen.«
»Sie sind aber gestorben.«
»Ja. Und sie werden nicht wieder lebendig, egal was wir machen, nicht wahr?«
»Ja.«
»Lukas kannst du übrigens auch auf die Liste setzen.«
»Lukas?«
»Ja. Herzinfarkt – am Montag ist die Beerdigung, sofern der Polizei nicht noch was einfällt, was sie untersuchen müssen. Und bevor du fragst – nein, ich werde nicht an der Beerdigung teilnehmen.«
Hanna atmete tief ein und wieder aus. Lukas war an einem Herzinfarkt gestorben, und jemand – nein, nicht jemand, sondern, wenn sie ihrem Onkel Glauben schenkte, dann war es dieser Konstantin Wolff, der versucht hatte, sie zu schnappen. Und Marie hing an einer kurzen Leine.
»Im Grunde fing alles mit deiner Entführung an. Bis dahin dachte ich, Armin wäre unser Prinz, der uns gerettet hat. Es war das erste Mal, dass mir Zweifel kamen, weil er so ruhig und cool darauf reagierte. Später erklärte ich mir sein Verhalten damit, dass er sich einfach von nichts aus der Ruhe bringen lässt. Ich meine, wenn er wirklich etwas mit der Entführung zu tun gehabt hätte, dann hättest du doch alles getan, um ihn ans Messer zu liefern.« Ihre Schwester sah ihr tief in die Augen. »Ich hätte nie gedacht, dass du Angst vor ihm hattest.«
»Keine Angst um mich, Angst um dich und Mama.«
»Armin hat mir die Liebe gegeben, von der ich
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