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Hannas Entscheidung

Hannas Entscheidung

Titel: Hannas Entscheidung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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Menschen existiert, desto höher ist die Anzahl der Schläferzellen. Solange Schläferzellen im Körper existieren, kann sich das Virus verbreiten, und das Problem ist, dass wir erst eingreifen können, wenn das Virus aktiv wird, also aufhört zu schlafen. Je früher eine Therapie einsetzt, desto geringer kann der Bestand an Schläferzellen gehalten werden. Wie haben uns entschieden, an der Genschere zu arbeiten, weil uns das ein vielversprechender Ansatz schien. Das bedeutet, wir versuchten mittels Enzymen die HIV-Erbgutstränge zu erkennen, diese aus der Zelle herauszuschneiden und dann das Erbgut wieder zusammenzukleben. Ein großes Risiko, da die Gefahr besteht, Krebserkrankungen als Nebenwirkung auszulösen.« Marie schwieg, hing ihren Gedanken nach und starrte auf ihre Hände.
    »Dann kam Armin dahinter, dass ein Teil unserer Forschungsabteilung an einem Heilmittel für HIV arbeitet. Er hat mich zur Rede gestellt. Ich fing an zu argumentieren, welchen Erfolg es für das Unternehmen darstellen würde. Er brachte im Gegenzug das Argument, was es uns kosten würde. – Aber es gab da noch etwas anderes, was unterschwellig im Raum stand.« Sie schwieg, hob den Kopf.
    »Hoffnung«, flüsterte Hanna.
    »Ja, Hoffnung, vielleicht Stabilität in Ländern, wo keine Stabilität von den westlichen Ländern gewollt ist. Was für ein Quatsch! Niemand kann absehen, was ein Heilmittel am Ende für Auswirkungen auf eine Gesellschaft hat. Ob es finanzierbar sein wird für die Entwicklungsländer. Aber mir wurde schnell klar, dass er weitere Forschungen in dieser Richtung nicht akzeptieren würde, geschweige denn unterstützen. Eine Weile ruhte die Sache, aber wir sind nicht die Einzigen, die die Arbeit an dem Thema vorantreiben. Wobei es an Forschungsmitteln fehlt. Die Stiftungsprojekte in Afrika durfte ich weiter betreiben. Bei meinem Besuch traf ich auf Dr. Frederike Schneider. Auch sie forschte in der Richtung, nachdem sie bei einem Baby durch unmittelbar einsetzenden Therapiebeginn nur noch Spuren des HI-Virus nachweisen konnte. Sie setzte auf eine andere Methode, nämlich, die Schläferzellen zu wecken und auszurotten. Verstehst du? Der normale Therapieansatz zerstört Zellen, wo das Virus aktiv wird, und unterdrückt vor allem deren Vervielfältigung, doch wie kommt man an die schlafenden Zellen ran?«
    »Indem man sie weckt.«
    »Genau. Per Zufall entdeckte man vor Jahren, dass ein Antiepileptikum eine aufmunternde Wirkung auf infizierte Immunzellen hat, doch das war nicht stark genug. Dr. Schneider hat eine Substanz gefunden, die sie weckt. Der Vorgang muss über mehrere Stufen erfolgen, und anfangs ist nur eine geringe Dosierung möglich, damit es nicht zu einer Art Schock kommt.«
    »Was bei Ifechi passierte.«
    »Nein. Ifechi starb, weil wir die Therapiemedikamente zu früh absetzten. Bei ihr war die Konzentration an HI-Viren extrem hoch, und durch Ifechis Tod wussten wir, dass wir noch einen weiteren Durchlauf des Weckprozesses vornehmen mussten, bevor wir die Medikamente absetzen durften.«
    »Also habt ihr die Kinder für Forschungszwecke missbraucht.«
    »Nein, wir haben nicht leichtsinnig gehandelt. Alle Forschungsergebnisse lagen vor – Versuchsreihen –, bevor wir sie an Menschen testeten. Die Kinder standen die ganze Zeit unter ärztlicher Aufsicht. Sie wussten, was wir versuchten und waren einverstanden.«
    »Marie – das waren Kinder.«
    »Ja, und ihre Eltern sind an AIDS gestorben oder haben sie allein gelassen!«
    »Die Familien!«
    »ALLEIN – gelassen. Diese Kinder hatten keine Familien mehr. Das ist die Wahrheit.«
    »Ifechi starb.«
    »Verdammt, ja. Weil viele Dinge aufeinandertrafen. Dieses Scheißvirus bricht auf einmal schlagartig aus, wenn eine Infektion hinzukommt, die Anzahl der Schläferzellen war zu hoch, die Vervielfältigung der Viren geschah zu schnell, und Ifechi war gesundheitlich zu sehr angeschlagen. Wir haben zehn Kinder geheilt! Bedeutet das nichts? Ein Heilmittel gegen HIV?«
    »Ja, genau. Was ist damit?«
    »Weg.«
    »Weg?«
    »Ja. Inzwischen ist klar, dass nicht nur Lukas darauf aufmerksam wurde, dass irgendetwas in Afrika sozusagen schief lief.«
    »Armin«, mutmaßte Hanna.
    »Ja, Armin. Er hat mir nicht getraut und ließ meinen ganzen Datenverkehr überwachen. Lukas kontrollierte er über Angelika Winter, der das Sicherheitsunternehmen gehört, das unsere Infrastruktur damit gleichzeitig überwacht hat. Lukas dachte, die ganze Aktion in Afrika wäre seine eigene geniale Idee

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