Hannas Wahrheit (German Edition)
gestorben. Es ist ein Rückschlag und doch ein Fortschritt. Ich bewundere unsere neue Ärztin, die mit unermüdlichem Eifer ihren Weg beschreitet. Hoffen wir, dass das, was wir finden, den Weg, den wir wählten, eines Tages rechtfertigt.
Dr. Frederike Schneider
Hanna starrte auf die Worte. Ein zweiter Alarm schreckte sie hoch. Hastig schloss sie alle Programme und meldete sich von dem System ab.
„Wegen dir sind wir an unserer Mission gescheitert. Wenn du kein Bock hast zum Spielen, dann melde dich auch nicht an.“ Verwirrt blickte sie die Nachricht an, die unter ihrem Spielaccount stand. Da hatte sie wohl einige Mitspieler enttäuscht. Sie meldete sich auch von der Online-Plattform ab und fuhr den Rechner herunter.
Ihre Hände zitterten, als sie den Laptop zuklappte. Ifechi. Sie kannte den Namen irgendwoher, hatte ihn schon einmal gehört.
Es dauerte, bis sie sich aus der Erstarrung löste. Dann fuhr sie ihren MacBook Air hoch. Sie klickte sich durch die Dorfbilder ihrer Afrikareise. Da war das Bild. Ein Sonnenstrahl, der durch das Blätterdach der Bäume fiel. Gebündelt, sodass es schien, als würde jemand mit einer Taschenlampe einen Lichtstrahl senden. Der Junge hatte mit einem Lächeln und ernstem Blick das Foto im Display der Kamera gezeigt. „Ifechi.“ Sie gab den Begriff in die Suchmaschine ein. Es war ein Name, den Eltern für ihre Kinder wählten und der übersetzt „Licht Gottes“ hieß. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Unwillkürlich griff sie sich an ihren Arm, wo sie sich von ihrem ersten Ausbildungsgeld den Dornenkranz hatte eintätowieren lassen. „Ich bin das Licht der Welt“, flüsterte sie leise. Sie schüttelte die Starre wieder ab und vergrößerte das Bild. Dort, wo das Licht auf den Boden traf, gab es ein kleines Beet. Sie schnitt den Bereich aus dem Foto und fing an, diesen zu bearbeiten.
Major Wahlstrom war aus dem Auto gestiegen. Die Nacht war angenehm kühl. Er lehnte an einem Baum, von dem aus er die Fenster der Wohnung sehen konnte. Seine Gestalt verschmolz mit dem Baum, sodass ein Pärchen, das gegen zwölf nach Hause kam, ihn gar nicht wahrnahm. Aber vielleicht lag es auch daran, dass sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt waren. Bei einem weiteren Passanten hatte er sich schnell zum Baum gedreht, geschwankt und so getan, als würde er sich erleichtern. Dafür, dass die Straße inmitten einer Großstadt lag, war es ruhig hier.
Das Leuchten eines Monitors in der Wohnung ließ ihn konzentriert werden. Er wartete. Nach etwas mehr als dreißig Minuten erlosch das eine Licht, dafür ging erst ein kleineres, dann ein großes helles Licht an. Hanna arbeitete an irgendetwas.
Er ging zum Fahrzeug zurück und rief Sven Brinkmann über Handy an.
„Ja!“
„Und?“, fragte er, anstatt sich zu melden.
„Es hat nicht geklappt. Wir konnten zwar die Leitung anzapfen, aber rausgekommen ist dabei nichts. Immer wenn wir ihre IP-Adresse haben, switcht sie sich wieder um. Keine Ahnung, wie das funktioniert, aber aus diesem Grund können wir ihren Datenverkehr nicht abhören, wurde mir erklärt.“ Die Frustration klang aus jedem Wort heraus. „Verflucht, wir brauchen irgendetwas, damit wir das Miststück hochgehen lassen können.“
Major Wahlstrom schloss die Augen. Ja, in Afrika war so etwas leichter.
Hanna blickte auf das Ergebnis ihrer Abstraktion. Es war ein Grab und kein angelegtes Blumenbeet, das war nun klar. In der Länge vier Mal so lang wie breit. Mit roten Blumen über der Brust, je nachdem, wie der Tote im Grab lag. Wahrscheinlich Ifechi, ein Kind, um das sich Rukia Mutai gekümmert hatte und das gestorben war. Ihr wurde klar, dass mit der Ärztin in der Mail von Dr. Schneider Rukia Mutai gemeint gewesen sein musste.
Hanna rieb sich die Augen. Sie beschloss, eine Pause einzulegen, stellte ihren Wecker und streckte sich angezogen auf ihrem Bett aus. So müde sie auch war, als sie im Bett lag, kreisten ihre Gedanken. Unaufhörlich.
„Was tust du da?“, hörte sie die melodische Stimme von Ochuko in ihrem Kopf.
„Ich bete.“
„Bist du Christin?“
„Ja.“ Der Blick, mit dem Ochuko sie betrachtete, schwankte zwischen Mitleid und Verständnislosigkeit. Sie lächelte, sah, dass ihm eine Frage auf der Zunge brannte.
„Warum ich an Gott glaube?“
Er nickte und setzte sich zu ihr auf den Felsen, unter dem sich unberührte Natur ausbreitete. Sie schwieg, angefüllt von der Ruhe und dem Frieden ihres Gebets. An einem Ort wie diesem fühlte sie
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