Hannas Wahrheit (German Edition)
finde.“
„Schau auch bei den Autovermietungen nach.“
„Wieso, denkst du …“
„Tu es einfach.“
Als Major Wahlstrom auflegte, fluchte er leise vor sich hin. Es war wie verhext mit diesem Weib.
Hanna hatte den Mini Cooper auf dem Wanderparkplatz geparkt. Sie wusste nicht, wann Marie am See auftauchen würde, daher gab sie in den Navigationscomputer ein, dass sie das Auto weiter in Anspruch nehmen wollte. Es war zwar nicht sehr wahrscheinlich, dass es hier jemand anderes so schnell buchte, aber sie wollte sichergehen. Sie zog sich ihre Jacke an und nahm den Rucksack mit.
Immer wieder überraschte sie die Idylle dieses Ortes, der so gar nicht zu dem passte, was sie hier erlebt hatte. Unterwegs hatte sie sich einen Cappuccino und Brötchen organisiert. Sie setzte sich auf den Steg und ließ die Beine baumeln, während sie ihr Essen auspackte. Ihre Wahl war bewusst auf diesen Ort gefallen. Es war einer dieser abstrusen Wünsche von Marie gewesen, den Ort des Verbrechens kennenzulernen. „Weißt du, Hanna, hier an diesem Ort haben wir uns voneinander entfernt, und nur hier können wir uns wiederfinden.“ Es war ein seltsames Gefühl gewesen, ihre Schwester durch die Hütte gehen zu sehen, wie sie an dem Bett gestanden hatte, an dem ihr all die furchtbaren Dinge angetan worden waren. Gleichzeitig hatten sich Wunden dabei geschlossen. Marie war in ihrer lebensfrohen Art so positiv gewesen, dass sie dem Ort ein Stück seines Grauens genommen hatte. So wie Marie ihr damals geholfen hatte, so würde sie heute Marie ihre Hilfe anbieten. Genau hier.
Sie sah, wie das Auto von Marie auf den Parkplatz vor der Hütte einbog. Statt ihr entgegenzugehen, blieb sie auf dem Steg sitzen. Sie packte ihre Sachen in den Rucksack, als sich der Schatten eines anderen Menschen über sie legte. Sie drehte sich um und überrascht ging ihr Mund auf.
Er lächelte sie an. Langsam stand Hanna auf, bis sie auf Augenhöhe mit ihm war.
„Ein interessanter Ort, den du für das Treffen mit deiner Schwester gewählt hast.“
„Wo ist Marie?“
„Zu Hause.“
„Was hast du mit ihr gemacht?“
„Nichts, es geht ihr gut. Sie hatte keine Lust zu kommen.“
„Du lügst.“
„Ja.“
Bevor ihr Verstand, der die ganze Zeit wie gelähmt war, aufwachen und reagieren konnte, war es bereits zu spät. Er packte sie, presste sie mit einem Arm gegen seinen Oberkörper. Fixiert wie in einem Schraubstock, nicht in der Lage die Arme zu bewegen, drückte er ein Tuch auf ihre Nase und den Mund. Hanna versuchte trotz des geringen Bewegungsspielraumes, mit einem gezielten Tritt, seinen Griff zu lockern. Sie hörte ihn fluchen, dann verlor sie das Bewusstsein.
Panik war das Erste, was Hanna befiel, als sie erwachte. Sie hatte einen Knebel im Mund und lag halb auf der Seite. Ihre Beine und Hände waren gefesselt. Sie versuchte, sich zu bewegen, drehte sich mit angewinkelten Knien auf den Rücken. Dass sie sich in der Hütte befand, sagte ihr der Geruch von feuchtem Holz. Vorsichtig öffnete sie die Augen. In der Hütte war es dämmerig. Erleichtert stellte sie fest, dass sie sich im Wohnraum befand und nicht in dem Schlafzimmer. Wie dumm, schalt sie sich, sie hätte sofort merken müssen, dass sie auf dem harten Boden lag und nicht auf einem Bett. Aber vor Angst war sie wie paralysierte. Sie spannte die Bauchmuskeln und hob den Oberkörper an. Ein Stöhnen entwich ihrem Mund, als die Schmerzen in ihrem Kopf explodierten. Sie ließ sich zurückfallen und bereute sofort die heftige Bewegung. Sie atmete flach, bis die Übelkeit nachließ. Setz deinen Verstand ein, fluchte sie leise vor sich hin, doch wie sollte sie denken, wenn die Panik sie lähmte? Hanna zwang sich, das Vaterunser im Stillen zu beten. Wie ein Mantra wiederholte sie es, bis sie merkte, wie sich die Worte verlangsamten und an Kraft gewannen. Sie spürte die Ruhe, die warm durch ihren Körper zu pulsieren begann und sich in der Mitte ihres Körpers ballte. Sie war nicht allein. Nie war sie allein, er war immer bei ihr, auch in ihrer tiefsten Not. „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“, hörte sie leise die Stimme ihres Vaters, wie er aus der Bibel vorlas. Sie verlagerte ihren Körper, sodass er wieder seitlich lag. Diesmal auf der anderen Seite. Den Schmerzen nach war eine längere Zeit vergangen, in der sie bewusstlos war.
Jetzt arbeitete ihr Verstand wieder. Sie lauschte und hörte draußen Stimmen. Hoffnung keimte in ihr auf. Jeder Versuch eines
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