Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hannas Wahrheit (German Edition)

Hannas Wahrheit (German Edition)

Titel: Hannas Wahrheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
Vom Netzwerk:
geboten ihm diese Vorsicht. Dennoch kostete es ihn Mühe, den Wunsch aufzuspringen und zu dem Haus zu rennen, zu unterdrücken. Auch jetzt konnte er niemanden entdecken. Er sprang doch auf und rannte los. Er musste die Hütte erreichen, deren eine Hälfte bereits in hellen Flammen stand, bevor es zu spät war.
    Mit einem Satz trat er die Tür ein. Der Luftzug ließ die Flammen höher schießen. Er bedeckte sein Gesicht mit einem Tuch, seine Augen durchsuchten den Raum, die Hütte war nicht groß. Er starrte auf das Sofa. Dort lag ein Mensch, gefesselt. Darunter hatte sich eine kleine Blutlache gebildet. Während er da stand, fing das Sofa Feuer. Nach drei schnellen Schritten packte er die leblose Frau, deren Hände und Füße gefesselt waren. Hanna Rosenbaum. Der Rückweg zur Tür war durch Flammen versperrt, hektisch sah er sich um. Da war eine Glasfront zum Wasser hin. Er legte sich Hanna über die Schulter und lief los. Die Scheibe barst, als er sie mit einer Bewegung zertrat. Er verdrängte den Gedanken an das Blut, dass sie bereits verloren hatte, stattdessen holte er im Laufen sein Handy hervor. „Ich brauche Blut, Gruppe B, negativ, Berlin.“ Dann nannte er Paul Gerlach die Adresse seiner Schwester. Im Zweifel würde ihn dieser Satz seinen Job kosten, aber das war ihm in diesem Augenblick egal.
     
    An seinem Auto ließ er Hanna zu Boden gleiten. Sein Finger ging an ihre Halsschlagader, das sanfte Pulsieren ließ ihn innerlich einen kurzen, triumphierenden Schrei ausstoßen. Er holte das Verbandszeug aus dem Auto und durchtrennte mit dem Messer das T-Shirt. Die Wunde war in der linken Seite. Ein sauberer tiefer Schnitt, lang wie die Klinge seines Messers. Er legte einen Druckverband an und hoffte, er würde die Blutung zum Stillstand bringen. Erst als er den Verband fixiert hatte und aufsah, bemerkte er, dass Hanna die Augen geöffnet hatte. Er hob sie sachte hoch, legte sie nach hinten ins Auto. Als Nächstes schob er den Beifahrersitz so weit es ging nach hinten, um den Körper von Hanna zu stabilisieren.
    „Du bist kein Engel“, flüsterte sie schwach.
    Trotz der Anspannung huschte ein Lächeln über sein Gesicht. „Nein, das bin ich nicht. Rede weiter, Hanna, du darfst jetzt nicht einschlafen.“
    Er saß bereits hinter dem Steuer und fuhr los. Er wusste, ihm würde nicht viel Zeit bleiben. Wenn es überhaupt noch Zeit gab.
    „Hanna, rede mit mir“, befahl er.
    „Ich bin müde.“
    „Wenn du einschläfst, Hanna, stirbst du. Willst du sterben?“
    Stille.
    „Nein.“ Pause, dann sicherer: „Nein, nicht mehr.“
    „Erzähl mit etwas.“
    „Mein Kopf, er tut so weh.“
    „Bist du gefallen?“
    „Nein, er hat mir einen Stein auf den Kopf gehauen.“
    „Wer?“
    „Harry.“
    Sie schien verwirrt zu sein. Endlich hatte er die Straße erreicht. Er zog sein Handy hervor. Sechs Mal läutete es, bevor er die verschlafene Stimme seiner Schwester hörte.
    „Lisa, ich bin es, Ben. Ich habe einen Notfall, ich brauche deine Hilfe.“
    „Wo bist du?“
    „Vielleicht zehn Kilometer von deiner Praxis entfernt. Bei dir müsste gleich ein Kurier klingeln. Er bringt dir Blut der Gruppe B negativ. Bereite einen Tropf vor.“
    „Du hast nicht B negativ.“ Seine Schwester klang überrascht, dann konnte er regelrecht hören, wir sich ihr Verstand in Bewegung setzte.
    „Ach so, ist nicht für dich, klar, sorry.“
    Er hörte die Klingel ihrer Haustür.
    „Wow, wie lange brauchst du?“
    „Ich bin in sechs Minuten da.“
    „Ich bereite alles vor.“
    Er legte das Handy beiseite, umfasste mit beiden Händen das Lenkrad und gab noch mehr Gas. Sie stöhnte, in seinem Auto breitet sich ein saurer Geruch aus.
    „Wer ist Lisa?“, kam es leise von Hanna.
    „Meine Schwester.“ In seiner Stimme lag all die Liebe, die er für seine Schwester empfand. Erst jetzt bemerkte er die Stille im Auto.
    „Hanna!“
    „Ja.“ Ihre Stimme war nicht mehr als ein Hauchen.
    „Hast du außer am Kopf und an der Seite noch eine Verletzung?“
    „Nein.“
    Ben dachte an den Geruch. „Hast du erbrochen?“
    „Ja.“
    „Weißt du weshalb?“
    „Chloroform, das hat manchmal diese Wirkung auf mich.“
    Wie konnte sie in diesem Zustand noch einen Scherz machen. Er würde sie wohl niemals verstehen, und es gab tausend Fragen, die er an sie hatte, die er vielleicht niemals würde stellen können. Er schüttelte den Gedanken ab.
    Die Notbeleuchtung zeigte den Parkplatz vor der chirurgischen Praxis an. Lisa stand bereits mit einer

Weitere Kostenlose Bücher