Hannas Wahrheit (German Edition)
Sicherheitsgeschäft, vor allem bei großen Konzernen. Ihr Business besteht in der Analyse der möglichen Risiken, der Empfehlung geeigneter Sicherheitssoftware und der regelmäßigen, dauerhaften Überwachung der Systeme.“
„Wozu brauchen die Softwareentwickler?“
„Weil sie neben der frei auf dem Markt erhältlichen Software auch noch eigene Entwicklungen einsetzen, die nicht käuflich sind, sondern nur über einen Wartungsvertrag zur Verfügung gestellt werden.“
„Clever.“
„Ja, und es kommt noch besser. Rate mal, wer einer ihrer Kunden ist.“
„Medicares.“
„Das war jetzt auch nicht mehr schwer, selbst für einen Soldaten.“
„Sehr interessant, könnte aber auch ein Zufall sein. Wer wohnt noch in dem Haus?“
Brinkmann starrte ihn ungläubig an. „Das ist nicht dein Ernst. Hast du dir mal die Protokolle angeschaut, die euer Trojaner von dem Computer erzeugt hat? War da auch nur annähernd etwas Interessantes dabei? Selbst meine Oma schaut sich mal was Witziges auf Youtube an oder recherchiert nach ihren Krankheiten, und Frau Rosenbaum, was macht die? So gut wie nichts. Nee, Junge, die weiß, dass ihr was auf ihren Rechner gebracht habt.“
Nachdenklich runzelte Major Wahlstrom die Stirn. Der Gedanke war ihm beim Lesen der Protokolle ebenfalls durch den Kopf gegangen. Außerdem war Hanna Rosenbaum bei ihrer Ankunft von Afrika als Erstes in eine Telefonzelle gegangen. Ganz zu schweigen von ihrem Verschwinden am nächsten Tag. All das passte zusammen.
„Wie habt ihr das überhaupt gemacht?“, hakte Sven Brinkmann neugierig nach.
„Was?“
„Na, den Trojaner auf ihr System zu bringen? Ist ja gar nicht so einfach.“
Wahlstrom machte eine wegwerfende Handbewegung. „Für euch BKA-Boys vielleicht, für uns echte Kerle nicht.“ Dabei unterschlug er, dass es im Grunde Paul Gerlach, ein BKA-Beamter, gewesen war, der den Trojaner entwickelt hatte.
Brinkmann gab ein Grunzen von sich und legte die Stirn in Falten. „Also gut. Ich schlage vor, wir nehmen diesen Viktor Samuels mal genauer unter die Lupe. Das könnte die erste interessante Spur sein, wenn dieser Ziegler Dreck am Stecken hat. Wir sind noch nie an seinen Systemen vorbeigekommen und kennen nur die offiziellen Bilanzen von dem Unternehmen. Die IT-Security Task-Force haben wir schon öfter unter die Lupe genommen. Ein astrein geführtes Unternehmen, und die Mitinhaberin Angelika Winters ist eine verdammt gute Anwältin. Die kennt sich im Strafgesetzbuch besser aus als unsere Leute. Allerdings haben wir ihr vor ein paar Monaten einen Maulwurf untergejubelt.“
„Und?“
„Man merkt, du hast keine Ahnung von echter Ermittlungsarbeit. Das dauert seine Zeit. Wir brauchen handfeste und stichhaltige Beweise, bevor wir zuschlagen können, nicht wie ihr Cowboys, die beim ersten Verdacht losschießen“, konterte Sven Brinkmann.
„Also gut, gehen wir mal davon aus, dass der Besuch von Hanna Rosenbaum diesem Viktor gegolten hat …“
Diesmal unterbrach ihn Brinkmann. „Besuch würde ich das nicht gerade nennen, wenn sie einen Schlüssel zu der Wohnung hat. Ich sage dazu nur, stille Wasser sind tief, und man braucht sich ja nur mal die Schwester anzuschauen, um einen Eindruck zu bekommen, was die aus sich machen könnte.“
„Gehen wir weiter davon aus, dass sie weiß, dass wir ihr einen Trojaner untergejubelt haben. Was wird sie als Nächstes tun?“
„Sex.“
Wahlstrom sah Brinkmann böse an. Dieser zuckte entschuldigend die Achseln. „Man darf ja wohl noch spekulieren. Die Frage ist, kannte Hanna Rosenbaum Viktor Samuels, bevor er seinen Job angefangen hat, oder kennt sie ihn erst seither?“
„Was ändert sich dann an der Situation?“
„Na ja, im ersten Fall hat sie dafür gesorgt, dass er bei Medicares arbeitet, und hängt in allem mit drin. Im zweiten Fall hat sie mit ihm was angefangen, um mehr über Medicares zu erfahren und versucht, vielleicht auf eigene Faust sich ein Stückchen vom Kuchen abzuschneiden.“
Langsam wurde ihm Sven Brinkmann unsympathisch, dachte er.
Adrenalin
H anna war von Viktor direkt durch den Treptower Park über den Tiergarten zur Invalidenstraße gefahren. In der Bibliothek suchte sie sich eine ruhige Ecke, packte ihren Laptop aus und war froh, wieder auf ihrem eigenen Rechner arbeiten zu können. Als Gaststudentin konnte sie die WLAN-Einstellungen der Uni für das Internet nutzen.
In ihrem Kopf herrschte ein heilloses Durcheinander. Sie hatte keine Ahnung, wo sie ansetzen sollte.
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