Hanni und Nanni - Klassenfahrt nach England
wartete. Alle waren vollbepackt mit Klamotten und Kostümen. „Das, was Mademoiselle Bertoux gekauft hat, müsste für alle reichen.“
„’allo, da seid ihr ja endlisch!“, rief die Französin und winkte. „Isch brauche Trägerinnen.“
Hanni, Nanni und Lilly nahmen den anderen ein paar Tüten ab.
„Und wo ’abt ihr Daniela gelassöhn?“, fragte sie, als sie sich auf den Weg machen wollten.
„Daniela? Die war nicht bei uns, Mademoiselle“, sagte Lilly.
„Non, non, non! “, rief Mademoiselle Bertoux. „Das kann nicht sein, denn bei mir ist sie nicht. Sie ist bestimmt bei euch gewesen.“
„Ganz sicher nicht“, sagte Nanni und sofort läuteten alle Alarmglocken bei ihr. „Wir sind zu dritt losgegangen, ehrlich.“
Mademoiselle Bertoux stellte ihre Einkaufstüten mit einem Ruck ab und zählte die Mädchen durch. Aber es blieb dabei: Daniela war verschwunden.
Auf der Suche nach Daniela
In stillschweigendem Einverständnis hatten Frau Mägerlein und Mister Gordon ihre Gruppen kurzerhand zusammengefasst und waren jetzt gemeinsam auf dem riesigen Markt unterwegs. Bei ihnen ging es um einiges ruhiger zu als bei Mademoiselle Bertoux. Dafür hatten die Jungs und Mädchen viel mehr Zeit, um ungestört in den Shops und Buden zu stöbern.
Frau Mägerlein und Mister Gordon hatten sich anfangs ein bisschen umgesehen, standen bald aber lieber in der Sonne und unterhielten sich. Die Mägerlein würde es zwar nie zugeben, aber dieser Mister Gordon hatte so eine Art, die ihr sprödes Äußeres durchdrang und eine Seite in ihr hervorbrachte, die sie schon lange verloren glaubte. Kurz: Sie fühlte sich wohl.
„Meine Jungs kommen auch sehr selten hierher. Für sie ist der Trip nach London etwas Besonderes, genauso wie für Ihre Mädchen“, sagte Mister Gordon. „Wir führen doch ein sehr abgeschiedenes Leben in Tottingham. Deshalb bringen die Eltern sie auch zu uns. Ans hektische Leben der Großstadt müssen sie sich noch früh genug gewöhnen. Mir allerdings … “, Mister Gordon lächelte, „… mir fällt schon manchmal die Decke auf den Kopf. Und dann mache ich einen Ausflug hierher und gehe ins Theater oder ins Kino. Das ist wirklich wunderbar.“ Er sah Frau Mägerlein so schwärmerisch an, dass sie ganz nervös wurde.
„Ach ja“, erwiderte sie sehnsüchtig. Wie lange war sie nicht mehr im Theater gewesen … Aber sie hatte sich gleich wieder im Griff: „Das kommt für uns natürlich nicht infrage“, fuhr sie streng fort. „Wir sind für die Mädchen verantwortlich und müssen ihnen in jeder Situation auch Vorbild sein. Da ist es unmöglich, abends einfach ins Theater zu gehen.“ Sie verschwieg, dass es im weiteren Umkreis von Schloss Lindenhof auch kein Theater gab, in das sie hätte gehen können. „Wissen Sie, ich sehe meine wichtigste Aufgabe darin, den Mädchen Ordnung und Disziplin beizubringen.“
Mister Gordon lächelte still, nickte und schwieg lieber. Sie sammelten die Jungs und Mädchen ein und gingen ein paar Schritte weiter, bevor sie erneut stehen blieben.
„Dort drüben ist ein Café“, sagte Mister Gordon. „Soll ich uns einen Kaffee holen?“
Frau Mägerlein zögerte. Sie schien zu überlegen, ob es ihrer Position als Lehrerin angemessen war, mitten auf der Straße Kaffee aus Pappbechern zu trinken. Aber sie waren in London, im mit Abstand verrücktesten Viertel, das sie jemals gesehen hatte, die Sonne schien und … keiner kannte sie hier. Da konnte sie wohl schon einmal einen Coffee to go probieren.
„Na schön“, sagte sie und zeigte den Anflug eines Lächelns.
Mister Gordon ging los, als Frau Mägerleins Handy klingelte. Sie runzelte die Stirn. Wer konnte das sein? Sie kramte in ihrer Tasche und sah aufs Display. „Bertoux“ stand da über dem Symbol einer schrillenden Glocke. Frau Mägerlein schwante Böses.
„Was ist denn los?“, fragte Mister Gordon, als er mit zwei Pappbechern Kaffee zurückkam. Frau Mägerlein war kreideweiß im Gesicht.
„Ich hatte einen Anruf von Mademoiselle Bertoux. Wir müssen sofort die Kinder sammeln und zu ihr gehen. Daniela ist verschwunden.“
„Versch…“ Mister Gordon sah sie mit offenem Mund an. „Das wird sich bestimmt aufklären“, versuchte er Frau Mägerlein zu beruhigen. „In diesen Gassen verliert man schnell einmal jemanden. Normalerweise findet man sich aber auch wieder.“ Eilig riefen sie die Jungs und Mädchen zusammen und gingen zu Mademoiselle Bertoux.
Die Französin stand inmitten ihrer Gruppe und
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