Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising
Haupthauses und rollte von einer Spule eine Zündschnur ab.
»Teufel!«, brummte Milko. »Gleich regnet es Steine, die so groß sind wie Güterwaggons.«
»Trotzdem gehen wir da jetzt rein«, sagte Vladis Grutas.
Der Soldat spulte die Zündschnur bis zum Fuß der ab, dann durchtrennte er sie und kauerte nieder.
»Der Laden ist doch sowieso geplündert«, sagte Grentz. »C’est foutu.«
»Tu débandes?«, entgegnete Dortlich.
»Va te faire enculer«, sagte Grentz.
Sie hatten die paar Brocken Französisch von SS-Männern aufgeschnappt, die einmal in der Nähe von Marseille Urlaub gemacht hatten, und beschimpften sich immer dann damit, wenn die Lage ernst wurde. Das Französische erinnerte sie an die gute alte Zeit.
Der Rotarmist im Burghof spaltete die letzten zehn Zentimeter der Zündschnur und klemmte einen Streichholzkopf dazwischen.
»Welche Farbe hat die Zündschnur?«, wollte Milko wissen.
Grutas blickte durchs Fernglas. »Dunkel. Mehr kann ich nicht erkennen.«
Vom Wald aus konnten sie das Aufflammen eines Streichholzes sehen, als der Soldat die Zündschnur anzündete.
»Ist sie orange oder grün?«, fragte Milko. »Ist sie gestreift?«
Grutas antwortete nicht. Der Soldat ging in aller Ruhe zu dem wartenden Lkw vorm Burgtor und lachte nur, als ihn seine Kameraden zur Eile antrieben. Währenddessen fraß sich hinter ihm die Schnur Funken sprühend durch den Schnee.
Milko hatte leise zu zählen begonnen.
Sobald der Lastwagen weggefahren war, rannten Grutas und Milko los. Das Feuer der Schnur sprang gerade über die Türschwelle, als sie in den Burghof kamen. Sie konnten die Streifen auf der Schnur erst aus unmittelbarer Nähe erkennen. Brennt mit einem halben Meter pro Minute, halben Meter pro Minute, halben Meter pro Minute ... Grutas durchtrennte die Schnur mit seinem Springmesser.
Milko brummte seinen Wahlspruch: »Scheiß auf den Hof!«, und rannte an der Zündschnur entlang die Treppe hinauf und in die Burg. Fieberhaft nach anderen Zündschnüren und Sprengladungen Ausschau haltend, lief er, immer der Schnur folgend, durch die große Halle zum Turm, wo er endlich entdeckte, wonach er gesucht hatte: die Stelle, wo die Zündschnur mit einer großen Schlinge Sprengschnur verspleißt war. Er rannte in die Halle zurück und rief nach draußen: »Es ist die einzige Zündschnur! Alles klar, ihr könnt kommen!« Um die Basis des Turms waren mehrere Sprengladungen angebracht, die mit der Schlinge hätten gezündet werden sollen, um den Turm zum Einsturz zu bringen.
Die sowjetischen Soldaten hatten die Eingangstür einfach offen gelassen, und im Kamin in der großen Halle brannte noch ein Feuer. Die nackten Wände waren mit Schmierereien übersät, und der Fußboden um den Kamin war mit Exkrementen und Toilettenpapier bedeckt.
Milko, Grentz und Kolnas durchsuchten die oberen Stockwerke. Grutas stieg mit Dortlich die Kellertreppe hinunter. Das Gitter des Weinkellers stand offen, das Schloss war aufgebrochen. Der Lichtstrahl ihrer Taschenlampe brach sich in Glassplittern. Über den Boden des Weinkellers lagen Flaschen mit hervorragenden Jahrgängen verstreut, die Hälse von hastigen Trinkern einfach abgeschlagen. Der Verkostungstisch lehnte, von streitenden Plünderern umgestoßen, an der Rückwand.
»Himmel, Arsch!«, fluchte Dortlich. »Diese Scheißrussen haben schon alles weggesoffen. Sie haben nicht einen Tropfen übrig gelassen.«
»Hilf mir mal«, sagte Grutas.
Durch die knirschenden Glasscherben zogen sie den Verkostungstisch von der Wand unter den Leuchter. Dann hoben sie die Dekantierkerze auf, die dahinter auf dem Boden lag» und zündeten sie an.
»Und jetzt zieh an dem Leuchter«, sagte Grutas zu Dortlich, der deutlich größer war als er. »Nur kurz ziehen, senkrecht nach unten.«
Als Dortlich tat wie geheißen, löste sich das Weinregal ein Stück von der Wand, worauf er unwillkürlich nach seiner Pistole griff. Grutas ging in die Kammer, die sich hinter dem Weinregal verbarg. Dortlich folgte ihm.
»Allmächtiger!«, stieß er hervor.
»Hol schon mal den Laster«, sagte Grutas.
10
Hannibal Lecter, inzwischen dreizehn Jahre alt, stand allein vor der heruntergekommenen Burg seiner Ahnen und warf Brotstücke in das schwarze Wasser des Burggrabens. Der Gemüsegarten, dessen wuchernde Umfassungshecke dringend hätte geschnitten werden müssen, war jetzt, im Jahr 1946, der Gemüsegarten der Volkswaisenheim-Kooperative und brachte vorwiegend Steckrüben hervor.
Der Burggraben mit
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