Hannibal Lector 04 - Hannibal Rising
nahmen keine Notiz von ihm. Mit einem wohligen Kribbeln im Bauch nahm er das Gemälde von der Wand, hob die Zellophanabdeckung auf der Rückseite an und wischte mit dem feuchten Taschentuch die Umrisse von Mischas Hand weg. Es hätte auch infolge unachtsamer Behandlung passiert sein können, als das Gemälde treuhänderisch hinterlegt war. Jedenfalls konnte es nicht schaden, den sentimentalen Wert aus dem Weg zu schaffen.
31
Der verdeckte Ermittler Rene Aden wartete vor Trebelaux’ Hotel, bis in dem Zimmer im zweiten Stock das Licht gelöscht wurde. Dann ging er zum Bahnhof, um dort rasch eine Kleinigkeit zu essen. Zum Glück war er rechtzeitig wieder auf seinem Beobachtungsposten, um mitzubekommen, wie Trebelaux mit einer Sporttasche das Hotel verließ.
Der Kunsthändler nahm sich vor dem Gare de l’Est ein Taxi, ließ sich über die Seine zu einem Dampfbad in der Rue de Babylone fahren und ging hinein. Aden parkte im Halteverbot, zählte bis fünfzig und betrat den Eingangsbereich des Türkischen Bads. Die Luft war voller Dampf und roch nach Massageöl. Männer in Bademänteln lasen Zeitungen in den unterschiedlichsten Sprachen.
Aden hatte keine Lust, seine Kleider abzulegen und Trebelaux in die dampfende Hitze zu folgen. Er war sonst nicht zimperlich, aber sein Vater war im Ersten Weltkrieg an Schützengrabenfuß gestorben, deshalb wollte Aden an einem so feuchten Ort wie diesem seine Schuhe nicht ausziehen. Er nahm eine Zeitung, die an ihrem hölzernen Spanner von einem Wandhaken hing, und setzte sich auf einen Stuhl.
Trebelaux klapperte in hölzernen Badeschuhen, die ihm zu klein waren, durch mehrere hintereinanderliegende Räume, in denen Männer auf gefliesten Bänken fläzten und sich der Hitze hingaben.
Die privaten Dampfräume konnte man im Fünfzehn-Minuten-Takt mieten. Er betrat den zweiten in der Reihe. Den Eintritt hatte er bereits an der Kasse bezahlt. Die Luft war auch hier voller Dampf, und er wischte mit dem Handtuch über seine Brille.
»Das hat aber gedauert«, ertönte Leets Stimme aus dem Dampf. »Ich bin schon kurz davor, mich aufzulösen.«
»Der Portier hat mir deine Nachricht erst gegeben, als ich schon zu Bett gehen wollte«, sagte Trebelaux.
»Die Polizei hat dich heute im Jeu de Paume beobachtet. Sie wissen, dass der Guardi, den du mir verkauft hast, heiß ist.«
»Wer hat sie mir auf den Hals gehetzt? Du?«
»Wohl kaum. Sie denken, du weißt, wer die Bilder aus Burg Lecter hat. Weißt du das denn wirklich?«
»Nein. Aber vielleicht mein Kunde.«
»Wenn du den Canaletto, das zweite Gemälde von der Seufzerbrücke, beschaffst, könnte ich beide Bilder zusammen vielleicht mit wesentlich höherem Gewinn verkaufen«, sagte Leet.
»An wen könntest du sie verkaufen?«
»Das ist meine Sache. An einen solventen Käufer aus Amerika. Sagen wir mal, eine Institution. Weißt du irgendwas, oder muss ich hier umsonst schwitzen?«
»Du hörst wieder von mir«, sagte Trebelaux.
Am nächsten Nachmittag kaufte Trebelaux im Gare de l’Est eine Fahrkarte nach Luxemburg. Aden beobachtete, wie er mit seinem Koffer in den Zug stieg. Der Gepäckträger schien über sein Trinkgeld nicht begeistert zu sein.
Aden rief kurz im Quai des Orfèvres an und sprang im letzten Moment auf den abfahrenden Zug. Dem Schaffner, der ihm tadelnd mit dem Zeigefinger wedelnd entgegenkam, hielt er in seiner Handfläche nur stumm die Dienstmarke entgegen.
Bei Einbruch der Dunkelheit näherte sich der Zug der Station Meaux. Trebelaux verschwand mit seinem Rasierzeug in der Toilette. Er sprang aus dem Zug, als dieser wieder anfuhr, und ließ seinen Koffer im Abteil zurück.
Ein paar Hundert Meter vom Bahnhof entfernt wartete ein Auto auf ihn.
»Warum ausgerechnet hier?«, fragte Trebelaux, als er auf der Beifahrerseite einstieg. »Ich hätte auch in Ihr Haus in Fontainebleau kommen können.«
»Wir haben hier etwas zu erledigen«, antwortete der Mann am Steuer. »Interessantes Geschäft.« Trebelaux kannte den Mann unter dem Namen Christophe Kléber.
Kléber fuhr zu einem Café in der Nähe des Bahnhofs, wo er sich ein üppiges Abendessen genehmigte. Er hatte nicht einmal Hemmungen, die Suppenschale an seine Lippen zu heben, um den letzten Rest der Vichyssoise zu schlürfen. Trebelaux stocherte in einem Salade Nifoise herum und buchstabierte auf dem Tellerrand mit grünen Bohnen seinen Namen.
»Die Polizei hat den Guardi beschlagnahmt«, sagte Trebelaux, als Klébers Kalbspaillard kam.
»Das haben Sie
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