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Hannibal

Hannibal

Titel: Hannibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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tatsächlich Dr. Lecter war. Aber die größte Erleichterung für Krendler war ein Telefonat am Abend des vierten Tages. Der Anrufer war niemand anders als der Kongreßabgeordnete Parton Vellmore aus Illinois. Krendler hatte bisher kaum Gelegenheit gehabt, mit dem Kongreßabgeordneten ein paar Worte zu wechseln, aber ihm war die Stimme aus dem Fernsehen wohl vertraut. Schon die Tatsache des Anrufs war eine Beruhigung; Vellmore war Mitglied des Rechtsausschusses und ein denkwürdiger Wichser; er hätte Krendler wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen, wenn etwas gegen ihn liefe. »Mr. Krendler, ich weiß, daß Sie mit Mason Verger gut bekannt waren.« »Ja, Sir.« »Tja, was für eine Schande. Der sadistische Hurensohn hat wirklich alles getan, um Masons Leben zu ruinieren, zuerst hat er ihn verstümmelt, dann kam er zurück und hat ihn getötet. Ich weiß nicht, ob es Ihnen zu Ohren gekommen ist, aber auch einer meiner Wähler starb bei dieser Tragödie. Johnny Mogli, er hat über Jahre hinweg dem Volk von Illinois als Gesetzeshüter gedient.« »Nein, Sir, ich hatte keine Kenntnis davon. Es tut mir leid.« »Der Punkt ist, Krendler, wir müssen weitermachen. Vergers Vermächtnis, seine Menschenliebe und sein Interesse am Gemeinwohl werden weitergetragen. Es ist größer als der Tod eines Mannes. Ich habe mit verschiedenen Leuten im 27. Distrikt und mit Miss Verger gesprochen. Margot Verger hat mir Ihr Interesse am Staatsdienst zur Kenntnis gebracht. Außergewöhnliche Frau. Ausgesprochen praktisch veranlagt. Wir wollen uns in naher Zukunft
zusammensetzen, wirklich ganz informell und in aller Stille, versteht sich, und darüber sprechen, was wir im nächsten November tun können. Wir wollen Sie an Bord haben. Glauben Sie, daß Sie an dem Treffen teilnehmen können?« »Ja, Herr Kongreßabgeordneter. Absolut.« »Margot wird Sie wegen der Details in den kommenden Tagen anrufen.« Krendler legte den Hörer auf. Ihm fiel ein Stein vom Herzen. Die Entdeckung des auf den verstorbenen John Brigham registrierten .45er Colts in der Scheune, bekanntlich im Besitz von Clarice Starling, brachte das Bureau in arge Verlegenheit. Starling wurde als vermißt geführt, aber man handhabte den Fall nicht als Kidnapping, da keine lebende Person gesehen hatte, daß sie entführt worden war. Sie war nicht einmal eine Agentin, die nach einem Einsatz vermißt wurde. Starling war eine suspendierte Agentin, deren Aufenthaltsort unbekannt war. Es wurde eine Suchmeldung für ihr Fahrzeug mit Fahrgestellnummer und Nummernschild herausgegeben, aber ohne einen besonderen Hinweis auf die Identität der Eigentümerin. Kidnapping verlangte von den Behörden erheblich mehr Einsatz als die Bearbeitung einer Vermißtenanzeige. Die Einstufung machte Ardelia Mapp so wütend, daß sie kurzerhand ihr
Kündigungsschreiben an das Bureau aufsetzte, es dann aber doch für besser hielt, damit zu warten und innerhalb des Bureaus daran zu arbeiten. Wieder und wieder ertappte sich Mapp dabei, wie sie in Starlings Hälfte des Hauses ging, um nach ihr zu sehen. Mapp fand Lecters VICAP-File und die National-Crime-Information-CenterFiles, gelinde gesagt, etwas zu statisch, sie waren nur um triviale Zusätze ergänzt worden: Der italienischen Polizei war es schließlich doch noch gelungen, Dr. Lecters Computer aufzutreiben
- die Carabinieri spielten darauf Super Mario in ihrem
Aufenthaltsraum. Die Festplatte hatte sich selbst gelöscht, als die Ermittlungsbeamten die erste Taste drückten. Seit Starlings Verschwinden setzte Mapp jedem im Bureau zu, der über etwas Einfluß verfügte und den sie erreichen konnte. Ihre wiederholten Anrufe bei Jack Crawford zu Hause blieben unbeantwortet. Sie rief die Abteilung für Verhaltensforschung an. Dort teilte man ihr mit, daß Crawford aufgrund von Schmerzen in der Brust noch zur Beobachtung im Jefferson Memorial Hospital bleiben mußte. Sie rief ihn dort nicht an. Im Bureau war er Starlings letzter
Schutzengel.

KAPITEL 94
    Starling war jedes Gefühl für Zeit abhanden gekommen. Sie brachten die Tage und Nächte mit Gesprächen zu. Sie hörte sich selbst minutenlang ohne Pause reden, und dann wieder hörte sie nur zu. Manchmal lachte sie über sich, wenn sie ungeschminkte Wahrheiten über sich selbst erfuhr, die sie normalerweise gekränkt hätten. Die Dinge, die sie Dr. Lecter erzählte, überraschten sie oft selbst, waren manchmal geschmacklos für normale Ohren, aber das, was sie sagte, entsprach immer der Wahrheit. Und

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