Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hannibal

Hannibal

Titel: Hannibal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
Vom Netzwerk:
Franklin. »Oder vielleicht wollen sie dich ja einfach nicht länger bei sich behalten, Franklin. Stimmt irgend etwas nicht mit dir? Hast du eine an steckende Krankheit oder irgend etwas anderes Ekelhaftes? Glaubst du nicht auch, daß deine Haut ein wenig zu dunkel für sie und ihre Liebe ist?« Franklin zog sein Hemd aus der Hose und schaute auf seinen kleinen braunen Bauch. Er schüttelte den Kopf und begann zu weinen. »Weißt du, was mit Kitty Cat passieren wird? Wie war noch mal der Name von Kitty Cat?« »Heißt Kitty Cat, das ist ihr Name.« »Weißt du, was mit Kitty Cat passieren wird? Die Polizisten werden Kitty Cat ins Tierheim bringen, und dort gibt ihr dann der Doktor eine Spritze. Hast du schon mal eine Spritze bekommen? Hat dir die Schwester schon mal eine Spritze gegeben? Mit der glänzenden Nadel? Sie werden Kitty Cat eine Spritze geben. Sie wird schreckliche Angst bekommen, wenn sie die Nadel sieht. Sie stechen die Nadel in sie. Das wird Kitty Cat ganz weh tun, und sie wird sterben.« Franklin griff einen Zipfel seines Hemdes und hielt ihn vors Gesicht. Er steckte seinen Daumen in den Mund, was er seit über einem Jahr nicht mehr getan hatte. Damals hatte Mama ihn gebeten, es sein zu lassen. »Komm her«, sagte die Stimme aus dem Dunkel. »Komm her, und ich erzähle dir, wie du verhindern kannst, daß Kitty Cat eine Spritze bekommt. Willst du, daß Kitty Cat eine Spritze bekommt, Franklin? Nein? Dann komm her, Franklin.« An seinem Daumen lutschend, ging Franklin mit tränenüberströmtem Gesicht langsam in die Dunkelheit hinein. Als er knapp zwei Meter vom Bett entfernt war, blies Mason Verger in eines seiner Röhrchen, und das Licht flammte auf. Aus angeborener Tapferkeit oder aus dem Wunsch heraus, Kitty Cat zu helfen, oder aus der elenden Gewißheit, daß er keinen Ort mehr hatte, wohin er hätte fliehen können, zuckte Franklin nicht einmal zusammen. Er rannte nicht weg. Er blieb stehen, wo er war, und schaute Mason ins Gesicht. Mason hätte bestimmt die Stirn gerunzelt, so er eine gehabt hätte, über dieses enttäuschende Resultat. »Du kannst Kitty Cat vor der Spritze retten, wenn du ihr Rattengift zu fressen gibst«, sagte Mason, die Explosivlaute P und ß fehlten, aber Franklin hatte ihn trotzdem verstanden. Franklin nahm seinen Daumen aus dem Mund. »Du bist böses altes Aa«, sagte Franklin, »und häßlich bist du auch.« Er machte auf dem Absatz kehrt, verließ den Raum durch das riesige Bad mit den zusammengerollten Schläuchen und ging in das Spielzimmer zurück. Mason beobachtete ihn über Video. Der Pfleger schaute auf den Jungen und ließ ihn nicht mehr aus den Augen, während er so tat, als würde er die Vogue lesen. Franklin würdigte das Spielzeug keines Blickes mehr. Er zog sich in eine Ecke zurück und setzte sich, das Gesicht zur Wand, unter eine Giraffe. Das war alles, was er tun konnte, um nicht mehr am Daumen lutschen zu müssen. Cordell beobachtete verstohlen, ob Franklin weinte. Als er sah, daß die Schultern des Kindes zu zucken anfingen, ging er zu ihm hin und wischte ihm sanft mit sterilen Tupfern die Tränen ab. Die tränennassen Tupfer tat er in Masons Martini-Glas, das neben dem Orangensaft und dem Coke für die Kinder im Kühlschrank des Spielzimmers stand.

KAPITEL 10
    Ärztliche Informationen über Dr. Hannibal Lecter einzuholen war kein leichtes Unterfangen. Bedenkt man seine tiefe Verachtung für das medizinische Establishment und die meisten niedergelassenen Ärzte, erstaunt es nicht sonderlich, daß er nie einen Hausarzt hatte. Das Baltimore State Hospital für geistesgestörte Straftäter, wo Dr. Lecter bis zu seiner mit einer Katastrophe endenden Überstellung nach Memphis verwahrt worden war, existierte nicht mehr, und das Gebäude wartete auf seinen Abriß. Die Polizei des Staates Tennessee war die letzte Behörde, die Dr. Lecter vor seiner Flucht in ihrem Gewahrsam hatte. Aber dort gab man vor, niemals dessen Krankenakte erhalten zu haben. Die Beamten, die ihn von Baltimore nach Memphis transferiert hatten, inzwischen verstorben, hatten zwar die Übernahme des Gefangenen abgezeichnet, nicht aber die Entgegennahme seiner Krankenakte. Starling brachte einen ganzen Tag mit Telefonaten zu, saß am Computer und durchsuchte schließlich eigenhändig die Asservatenkammern in Quantico und im J. Edgar Hoover Building. Sie durchstöberte die staubige und übelriechende große Asservatenkammer des Baltimore Police Department einen ganzen Morgen lang und

Weitere Kostenlose Bücher