Hans Heinz Ewers
violetten Nebel von Tonkin.
Unten schaukelten die Dschunken, erwachten wieder zum Leben. Die Leute krochen heraus; mit runden Schaufeln, Wischlappen und Tamarindenbesen warfen sie das Wasser heraus, trockneten und reinigten den Sampan. Aber keiner sprach; still, unhörbar fast arbeiteten sie; kaum drang ein kleinstes Geräusch herauf zu den Blättern und Ranken. Eine große Dschunke fuhr vorbei, dicht besetzt mit Legionären. Ich winkte den Offizieren, die im Sampan lagen; sie dankten wehmütig. Hätten wohl auch lieber bei mir gesessen auf der breiten Veranda von Edgard Widerholds mächtigem Bungalow, als da hinaufzufahren, tagelang, wochenlang durch den heißen Regen, hinauf zu ihrer elenden Station. – Ich zählte – wenigstens fünfzig Legionäre waren auf der Dschunke. Gewiß ein paar Irländer und Spanier, Vlamen und Schweizer – – und der Rest: Deutsche. Wer mag dabei sein? Keine Wassertrinker, aber Jungen, an denen Tilly und der tolle Christian seine Freude gehabt. Sicher sind Brandstifter darunter, Räuber und Mörder – was will man Besseres zu solchem Krieg? Die verstehen ihr Handwerk, das mag man glauben. Und dann die, die von oben kommen, die, die verschwinden aus der Gesellschaft, untertauchen in die trüben Fluten der Legion. Pfarrer und Professoren, Hochadel und Offiziere. Fiel doch ein Bischof beim Sturm auf Ain-Souf, und wie lange ist’s her, daß ein deutsches Kriegsschiff von Algier die Leiche eines anderen Legionärs abholte und ihr alle Ehren erwies – eines königlichen Prinzen?
Ich beuge mich über die Brüstung: „Vive la Legion!“ Und sie rufen zurück, brüllen laut aus schleimigen Trinkerkehlen: „Vive la Legion! Vive la Legion!“ Sie haben ihr Vaterland verloren und die Familie, Haus, Heim, Ehre und Geld. Haben nur ein einziges, das das alles ersetzen soll: Korpsgeist – – Vive la Legion!
Oh, ich kenne sie. Trinker und Spieler, Beschützer von Dirnen, Deserteure, aus allen Lagern entwichen. Anarchisten alle – die nicht wissen, was Anarchismus ist, die sich empörten und flohen vor einem Zwang, der unerträglich war. Verbrecher halb und halb Kinder, kleine Hirne und große Herzen – echte Soldaten. Landsknechte mit dem rechten Instinkt, daß Plündern und Schänden eine gute Sache sei und ihr ehrlich Handwerk – denn zum Totschlagen sind sie geworben, und wer das Große darf, dem ist auch das Kleine erlaubt. Abenteurer, die zu spät in diese Welt kamen, diese Welt von heute, die Individuen verlangt, stark genug, ihre eigenen Wege zu schlagen. Ein jeder von ihnen war zu schwach dazu, brach zusammen mitten im Dickicht, kam nicht weiter. Vom breiten Weg riß ihn längst ein flackernd Irrlicht, und den eigenen Weg konnte er nicht gehen – – irgendwo fehlte es, er weiß nicht wo. Jeder ist gescheitert, eine elende, hilflose Planke. Aber sie finden sich, schließen sich, bilden ein großes, stolzes Schiff: Vive la Legion! Sie ist Mutter und Heimat und Ehre und Vaterland. Hör doch, wie sie schreien: „Vive, vive la Legion!“
Die Dschunke zieht hinaus in den Abend, nach Westen zu, wo in der zweiten Biegung der Rote Fluß sich wälzt in den Hellen Strom. Dort verschwindet sie, lenkt tief in die Nebel, weit hinein in dieses Land der violetten Gifte. Aber sie fürchten nichts, diese blonden, bärtigen Männer, nicht Fieber und nicht Ruhr und noch weniger die gelben Rebellen; sie haben ja Alkohol genug und Opium und ihre guten Lebelbüchsen – was braucht man mehr? Vierzig gehen drauf von den fünfzig, aber wer wiederkehrt, nimmt doch einen neuen Vertrag: um den Ruhm der Legion, nicht um den Frankreichs.
– – Edgard Widerhold kam auf die Veranda.
„Sind sie vorbei?“ fragte er.
„Wer?“
„Die Legionäre!“ Er ging an die Brüstung und schaute auf den Fluß. „Gott sei Dank, sie sind fort. Mag sie der Teufel holen; ich kann sie nicht sehen.“
„So?“ machte ich. Ich kannte natürlich, wie jedermann im Lande, das eigentümliche Verhältnis, in dem der Alte zu der Legion stand, ich wollte versuchen hinter die Gründe zu kommen. Deshalb spielte ich den Erstaunten. „So? Und doch schwärmt die ganze Legion für Sie! Es war ein Kapitän der IL Legion, der mir vor Jahren schon in Porquerolles von Ihnen erzählte: Wenn ich je zum Hellen Strom käme, müßte ich Edgard Widerhold besuchen.“
„Das war Karl Hauser aus Mühlhausen.“
„Nein, es war Dufresnes.“
Der Alte seufzte: „Dufresnes, der Auvergnate! Er hat manches Glas Burgunder hier
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