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Hans Heinz Ewers

Hans Heinz Ewers

Titel: Hans Heinz Ewers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geschichten des Grauens
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getrunken.“
    „Wie alle andern, nicht wahr? Bis vor acht Jahren plötzlich das Haus, das man ,Le Bungalow de la Legion’ nannte, seine Pforten sperrte und Herr Edgard Widerhold, le bon Papa de la Legion, seinen Versorgungsplatz in Edgardhafen errichtete.“
    Das war der kleine Hafenplatz von Widerholds Farm, zwei Stunden weiter unten am Flusse. Der Alte hatte es durchgesetzt, daß sogar der Poststempel „Edgardhafen“ druckte und nicht „Port d’Edgard“. – Sein Haus war der Legion verschlossen seit dieser Zeit, aber nicht sein Herz und seine Gastfreundschaft. Jede Dschunke der Legion, die vorbeikam, hielt in Edgardhafen, und der Verwalter brachte ein paar Körbe Wein an Bord für Offiziere und Mannschaft. Stets lag eine Visitenkarte des Alten dabei: Herr Edgard Widerhold bedauert sehr, die Herren Offiziere diesmal nicht empfangen zu können. Er bittet beifolgende Gabe freundlichst annehmen zu wollen und trinkt selbst auf das Wohl der Legion. Und stets antwortete der Kommandant, er danke für die freundliche Gabe und hoffe, bei der Rückkehr seinen Dank dem Spender persönlich aussprechen zu können. Aber es kam nie mehr dazu, die Tür des weiten Hauses am Hellen Strom blieb der Legion verschlossen. Ein paarmal kamen Offiziere noch hin, alte Freunde, von deren trinkfrohen Stimmen oft genug die Räume gehallt hatten. Die Boys führten sie auf die Veranda, setzten ihnen die besten Weine vor – aber der Alte kam nicht zum Vorschein. So blieben sie weg; die Legion gewöhnte sich langsam an das neue Verhältnis. Schon waren so manche da, die ihn nie gesehen hatten, die nur wußten: In Edgardhafen hält man, nimmt Wein an Bord und trinkt auf das Wohl eines verrückten alten Deutschen. Jeder freute sich auf diese einzige Unterbrechung der trostlosen Regenfahrt auf dem Hellen Flusse, und Edgard Widerhold war in der Legion nicht weniger beliebt als früher.
    Als ich zu ihm kam, war ich der erste Deutsche, den er in Jahren gesprochen. Gesehen – o gesehen hatte er wohl manche da unten im Flusse. Ich bin überzeugt, daß der Alte hinter irgendeiner Gardine steckt und hinausschaut, jedesmal wenn eine Dschunke der Legion vorbeifährt. Aber mit mir sprach er wieder Deutsch. Ich denke, das ist der Grund, weshalb er mich festhält, immer etwas neues erfindet, um meine Abreise hinauszuschieben.
    Der Alte ist keiner, der hurra schreit. Er schimpft auf das Reich wie ein Rohrspatz. Uralt ist er, aber wenn er in Berlin lebte, müßte er zehnmal so alt werden, um all die Zeit abbrummen zu können, die ihm allein seine Majestätsbeleidigungen eintrügen. Auf Bismarck schimpfte er, weil er Sachsen leben ließ und Böhmen nicht einsteckte, und auf den dritten Kaiser, weil er sich Helgoland aufschwätzen ließ für das ostafrikanische Reich. – Und Holland! Wir müssen Holland haben, wenn wir leben wollen, Holland und seine Sundainseln. Das muß sein, es geht nicht anders; wir krepieren, wenn’s nicht gemacht wird. Dann natürlich die Adria! Österreich ist ein ausgerechneter Blödsinn, eine Afferei, die jede anständige Landkarte blamiert. Uns gehören seine deutschen Länder, und da wir uns nicht die Tür vor der Nase zumachen lassen können, müssen wir auch die slawischen Brocken haben, die uns das Mittelmeer versperren, Krain und Istrien. „Hol mich der Teufel“, schreit er, „ich weiß, daß wir da Läuse in den Pelz bekommen! Aber besser ein Pelz mit Läusen, als totfrieren – ohne Pelz!“ – Heute schon fährt er unter schwarzweiß-roter Flagge vom deutschen Triest zum deutschen Batavia.
    Dann frage ich: „Und die Herren Engländer?“
    „Die Engländer?“ schreit er. „Die Engländer halten das Maul, wenn man sie draufschlägt!“
    Er liebt Frankreich und gönnt ihm den breiten Platz an der Sonne; aber die Engländer haßt er.
    Das ist so mit ihm. Wenn ein Deutscher Gift und Galle spuckt über Kaiser und Reich, freut er sich und schimpft mit. Wenn ein Franzose Witze macht über uns, so lacht er, doch er revanchiert sich gleich und erzählt die neuesten Dummheiten des Gouverneurs in Saigon. Wenn aber ein Engländer es wagt, über unseren albernsten Konsul die harmloseste Bemerkung zu machen, wird er wütend. Das war der Grund, weshalb er einst weg mußte aus Indien. Ich weiß nicht, was der englische Oberst sagte, aber ich weiß, daß Edgard Widerhold die Reitpeitsche nahm und ihm ein Auge ausschlug. Das ist nun schon vierzig Jahre her; es kann auch fünfzig sein oder sechzig. Er floh damals, ging nach Tonkin

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