Hans Heinz Ewers
und saß auf seiner Farm, lange ehe die Franzosen ins Land kamen. Da hißte er die Trikolore am Hellen Strom, traurig, daß nicht die schwarzweißrote Flagge vom Mast wehte, aber doch froh, daß es wenigstens nicht der Union Jack war.
Kein Mensch weiß, wie alt er eigentlich ist. Wen die Tropen nicht fressen, mitten im jungen Leben, den dörren sie aus. Machen ihn wetterhart und fest, schaffen ihm einen Panzer aus gelbem Leder, der aller Fäulnis trotzt. So war Edgard Widerhold. Ein Achtziger, ein Neunziger vielleicht, aber er saß täglich sechs Stunden im Sattel. Das Haar war weiß, aber der lange spitze Bart hielt seine gelbgraue Farbe. Lang und schmal war sein Gesicht, lang und schmal waren seine Hände, und jeden Finger bewehrten große gelbe Nägel. Länger als ein Streichholz, hart wie Stahl, scharf und gebogen wie Raubtier krallen.
Ich reichte ihm meine Zigaretten. Ich rauchte sie längst nicht mehr, sie waren schlecht geworden von der Seeluft. Aber ihm schmeckten sie – deutsche Marke.
„Wollen Sie mir nicht erzählen, weshalb die Legion verbannt wurde von Ihrem Bungalow?“ Der Alte ging nicht weg von der Brüstung. „Nein!“ sagte er. Dann klatschte er in die Hände: „Bana! Dewla! – Wein, Gläser!“ Die Boys richteten den Tisch, er setzte sich zu mir, schob mir die Zeitungen hinüber. „Da“, fuhr er fort, „haben Sie die Post schon gelesen? Die Deutschen haben das Automobilrennen in Dieppe gewonnen. Benz und Mercedes, oder wie die Wagen heißen. Zeppelin ist fertig mit seinem Ballon – fährt spazieren über Deutschland und die Schweiz, wohin er will! – Da, sehen Sie die letzte Seite an, Schachturnier in Ostende. Wer hat den Preis? Ein Deutscher! – Wirklich, es wäre ein Genuß, die Blätter zu lesen, wenn sie nur nicht von den Berliner Herrschaften berichten müßten. Lesen Sie, es ist ja himmelschreiend, welche –“
Aber ich unterbrach ihn. Ich hatte gar keine Lust zuzuhören „welche Dummheiten diese ungeheueren Schafsköpfe wieder angestellt hatten“. Ich trank ihm zu: „Prosit! – Morgen muß ich fort.“
Der Alte schob sein Glas fort. „Was – morgen?“
„Ja, Leutnant Schlumberger kommt vorbei mit einem Teil des dritten Bataillons. Er kann mich mitnehmen.“
Er schlug mit der Faust auf den Tisch: „Das ist eine Gemeinheit!“
„Was?“
„Daß Sie morgen fort wollen, zum Teufel! Eine Gemeinheit ist es.“
„Na, ich kann doch nicht ewig hierbleiben“, lachte ich. „Am Dienstag werden’s zwei Monate –“
„Das ist’s ja gerade! Jetzt habe ich mich schon an Sie gewöhnt. Wenn Sie nach einer Stunde weggeritten wären, wär’s mir gleichgültig gewesen.“
Aber ich gab nicht nach. Herrgott, er habe doch oft genug Gäste hier gehabt und scheiden sehen, einen um den anderen. Bis eben neue kämen –
Da fuhr er auf. Früher, ja früher hätte er nicht den Finger darum gerührt, mich länger zu halten. Aber jetzt, wer käme denn jetzt? Zwei im Jahre und alle fünf Jahre ein Deutscher! Seit er die gottverdammten Legionäre nicht mehr sehen könne –
Da hatte ich ihn wieder. Und ich sagte ihm, daß ich noch acht Tage bleiben wolle, wenn er mir die Geschichte erzähle, warum –
Das war nun wieder eine Gemeinheit. Was – – ein deutscher Dichter handele seine Ware ein wie ein Kaufmann?
Ich ging darauf ein. „Roherzeugnis“, sagte ich. „Hammelwolle vom Bauern. Aber wir spinnen die Fäden und weben bunte Teppiche.“
Das gefiel ihm, er lachte. „Um drei Wochen will ich die Geschichte verkaufen!“
Ich habe handeln gelernt in Neapel. Drei Wochen für eine Geschichte – das sei ein ganz ungeheurer Preis. Und ich kaufe ja die Katze im Sack und wisse gar nicht, ob ich den Kram überhaupt brauchen könnte. Auch bekäme ich höchstens zweihundert Mark dafür und wäre nun schon zwei Monate hier und solle noch drei Wochen bleiben – dabei hätte ich noch keine Zeile geschrieben. Meine Arbeit müsse doch auch bezahlt werden, und ich komme sowieso nicht auf meine Kosten, er ruiniere mich und – –
Aber der Alte wahrte seinen Vorteil. „Am Siebenundzwanzigsten ist mein Geburtstag“, sagte er, „da mag ich nicht allein sein. Also achtzehn Tage – das ist das äußerste! Drunter gebe ich die Geschichte nicht ab.“
„Meinetwegen“, seufzte ich, „abgemacht!“
Der Alte streckte mir die Hand hin. „Bana“, rief er, „Bana! Nimm den Wein fort, räum die Gläser ab. Bring Kelche und hol uns Champagner.“
„Atja, Sahib, atja.“
„Und du,
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