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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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du hier?«, fragte er sie.
    Henrike konnte ihm ansehen, dass er es kaum erwarten konnte, das Schiff zu betreten. Sie betrachtete die Leiter aus Seilen und Brettern, die die Bordwand herabhing. Konnte sie in ihrem Kleid da hochklettern? Warum nicht? Schließlich wollte sie das Schiff auch sehen.
    »Lass mich vorgehen«, sagte sie und umfasste die Seile. Die Leiter schwankte an der Bordwand, der Wind wehte ihre Rockschöße hoch, die Arbeiter stießen Pfiffe aus, aber Henrike stieg Stufe um Stufe empor. Oben angekommen, reichte Adrian Vanderen ihr seine Hand und half ihr an Bord. Bei seiner Berührung schoss ihr die Röte in die Wangen, ihr Herz klopfte wie wild.
    Nachdem auch Simon das Schiff betreten hatte, wandte er sich sogleich mit leuchtenden Augen an Adrian. »Wie schön die Cruceborch ist! Alles ist wie neu!«, schwärmte er.
    Adrian winkte einen Mann heran. »Dieses Lob gebührt Ihnen. Hier siehst du, Simon, den besten Schiffbauer Lübecks. Wenn man so will, war der Überfall gar nicht so schlecht, denn ohne ihn hätte ich Euch nicht kennengelernt, Meister«, sagte Adrian.
    Simon fragte den Mann sofort aus, ließ sich beschreiben, wie er bei der Wiederherstellung der Cruceborch vorgegangen war. Adrian Vanderen besprach noch etwas mit Liv und seinem Schiffer Bosse Matys; dieser war fast ganz wiederhergestellt, an seine Verletzung erinnerte nur noch eine Augenklappe, die ihm jedoch auch etwas Verwegenes gab. Schließlich bot Adrian den Geschwistern an, sie über das Schiff zu führen.
    Henrike war seine Freundlichkeit unangenehm. Ihr lag es auf der Seele, sich bei Adrian zu entschuldigen. Sie hatte sichschlecht benommen. Ihre Worte zurückzunehmen wäre das Mindeste, was sie tun konnte. Doch sie fand einfach nicht den richtigen Zeitpunkt dafür. Auch jetzt schien ihr die Situation nicht passend. Sie wusste, wie sehr sich Simon über einen Rundgang freuen würde. Und auch sie fand die Aussicht, eines dieser gewaltigen Schiffe einmal genauer zu erkunden, faszinierend. Sie erklommen zunächst das Achterkastell, von dem sie einen ungewohnten Blick über den Lübecker Hafen, die Stadtmauer und die mächtigen Kirchtürme hatten. Darunter befand sich das Deck, wo die höherrangigen Gäste geschützt vor Wind und Wetter schlafen konnten, während die Mannschaft ihren Hudevat, ein sackförmig zusammengenähtes Fell, ungeschützt vor dem Mast ausbreiten mussten.
    »Ich habe auch einen Hudevat und werde nach Bergen reisen!«, erzählte Simon begeistert.
    Adrians Lächeln wirkte etwas gezwungen. »Nach Bergen? Eine große Reise für einen Lehrjungen«, sagte er und warf Henrike einen forschenden Blick zu. Diese musterte aufmerksam die Planken. Sie wollte sich ihre Besorgnis nicht anmerken lassen.
    »Ich freue mich schon auf die Fahrt. Henrike fettet den Hudevat fleißig für mich, damit er Regen und Meerwasser abhält«, sprudelte es aus Simon heraus.
    Adrian zeigte ihnen ein neuartiges Stundenglas, das für die Wacheinteilung und die Einhaltung der Stundengebete an Bord hilfreich war und das Simon sehr bewunderte.
    »Wer wird dich begleiten? Dein Onkel?«, fragte Adrian beiläufig.
    »Mein Vetter, Nikolas.«
    Adrian nahm diese Worte unbewegt zur Kenntnis und führte sie zur Küche, einer an Deck aufgestellten Holzkiste, die mit Sand gefüllt und mit Steinplatten abgedeckt war. Auf den Steinplatten wurde das Herdfeuer entzündet. Es gab verschiedene Gerätschaften wie bronzene Dreibeintöpfe oder Holzspießefür Brathähnchen. Er zeigte ihnen die Laderäume unter Deck und die Pumpen zum Entfernen des eingedrungenen Wassers. Anschließend führte er sie zu einer Tischplatte, die auf ein Fass gelegt worden war. Auf ein paar kleineren Fässern drum herum nahmen sie nun Platz.
    »Wann stecht Ihr in See? Wohin wird die Cruceborch fahren?«, fragte Simon neugierig.
    »Sie muss erst einmal frisch geteert werden. Innerhalb der nächsten Wochen werde ich sie befrachten und nach Brügge zurückgehen lassen.«
    »Werdet Ihr mitreisen?«, wollte ihr Bruder wissen.
    »Vorerst nicht. Ich habe hier noch zu viel zu tun. Aber die Unsicherheit der politischen Lage zwingt mich zu einer früheren Kauffahrt, als ich geplant hatte.«
    »Geht es noch immer um den Kampf um den dänischen Thron?«, fragte Simon.
    »Ganz genau. Beide Seiten versuchen, einander durch Seeräuberangriffe zu schwächen und gleichzeitig ihre Kriegskasse zu füllen. Auch sorgt die Rechtsunsicherheit dafür, dass Piraten sich sicher fühlen und ihre Übergriffe

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