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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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ihr ein Gedanke. Sie löste die goldene Brosche und reichte sie Jost.
    »Nimm dieses Schmuckstück statt der Summe, die Vater dir vererbt hat«, sagte sie. Als er protestieren wollte, setzte sie hinzu: »Wenn die Brosche mehr wert ist als das, was dir zusteht, dannkaufe und verkaufe von dem restlichen Geld in meinem Namen Ware. Wir rechnen ab, wenn wir uns wiedersehen. Genauso, wie es sich für ehrliche Kaufleute gehört.«
    Jost nahm die Brosche an sich. Er wirkte beschämt. Dabei war es doch nicht mehr als recht und billig, dass er bekam, was ihm zustand, fand Henrike.
    Als sie das Haus der Witwe verließen, schlug Simon vor, noch bei Adrian Vanderen vorbeizuschauen. Heute war die letzte Gelegenheit vor seiner Abreise nach Bergen, um mit ihm über die Unterlagen zu sprechen. »Wenn Tante und Onkel uns noch nicht vermissen, haben wir noch Zeit. Und wenn sie uns schon vermissen, ist es ohnehin zu spät«, meinte er pragmatisch.
    »Woher willst du wissen, ob er da ist? Es ist Fastnacht. Vielleicht ist er beim Mummenkanse«, sagte Henrike und strich den Staub von ihrem einfachen Kleid. Wenn sie gewusst hätte, dass sie Adrian Vanderen besuchen würden, hätte sie sich schöner angezogen   – andererseits spielte sie für ihn als Heiratskandidatin keine Rolle mehr, also brauchte sie sich auch nicht um ihr Aussehen zu sorgen. Und besser, als in die Alfstraße zurückzugehen und möglicherweise Nikolas zu begegnen, war es allemal. Obgleich Nikolas sie bislang in Ruhe gelassen hatte. Er schien die Vergnügungen der Fastnacht zu genießen. Er stank seit Tagen nach Bier, Schweiß und billigen Duftwässern. Jedes Mal, wenn sie ihn sah, wollte sie ihn am liebsten wegen seines Verhaltens Jost gegenüber und des Verschwindens ihres Hundes zur Rede stellen, doch sie bezwang ihre Zunge; es wäre gefährlich, ihn noch mehr zu reizen.
    »Einen Versuch ist es wert. Zu den billigen Vergnügungen auf dem Markt wird er gewiss nicht gehen, und die Bälle sind eher abends«, sagte Simon und führte sie zu einem Giebelhaus in der Mengstraße, aus dem Hämmern und Sägen zu hören waren.
    Sie traten durch die offene Tür. Die Decke war abgestützt, Kunthor- und Panelmaker waren dabei, alte Balken auszutauschen und die Wände zu streichen. Als sie niemand in Empfang nahm, gingen sie zur Schreibkammer hinüber. An einem Tisch stand ein junger Mann und schrieb etwas auf einen Zettel. Dieser Raum war bereits fertig gestaltet. Er wirkte freundlich und aufgeräumt. Lediglich ein violetter Schleier, der in einer Ecke neben der Tür lag, störte das Bild. Adrian Vanderen hatte Frauenbesuch gehabt, las Henrike daraus.
    »Guten Tag, Liv«, begrüßte Simon den jungen Mann. »Wir suchen deinen Herrn.« Der Angesprochene sah überrascht auf und hieß ihren Bruder willkommen, als ob er ihn gut kennen würde. Sie hatte ihn schon einmal gesehen, als sie mit Consul Diercksen in Adrians Bleibe gewesen war.
    »Ich bin Liv, Bootsjunge an Bord, Diener und Gehilfe an Land«, stellte er sich grinsend vor und zog dabei seine sommersprossige Nase kraus. Er war einige Jahre älter als Simon und etwas größer. »Herr Vanderen ist auf der Werft. Ich wollte auch gerade zu ihm, kommt doch mit!«, forderte er sie auf. Als er im Vorbeigehen den violetten Schleier bemerkte, nahm er ihn an sich und steckte ihn in sein Wams. War er rot geworden dabei? Henrike musste über seine Verlegenheit lächeln; er war zwar noch kein Mann, aber auch kein Junge mehr. Dass Simon auch bald so sein würde, konnte sie sich kaum vorstellen.
    Sie folgten ihm durch die Stadtpforte in den Hafenbezirk. Liv hieß sie in einem Kahn Platz zu nehmen und ruderte sie ans andere Ufer der Trave, wo die Werft war und die Schiffe auf Kiel lagen. An der Brabanck, dem zum Kalfatern eines Schiffes bestimmten Platz am Ufer, legten sie an. Henrike hätte die Cruceborch fast nicht wiedererkannt. Grob behauene Stämme stützten den Kiel nach allen Seiten ab. Hoch ragten die klinkerbeplankten Seitenwände auf, Brüche und Brandstellen waren nicht mehr zu sehen. Liv rief nach seinem Herrn. Simon strich über die Beplankung und zeichnete mit der Hand die Rundung des Stevens nach. Die Werftarbeiter starrten Henrike offen an. Siefühlte sich fehl am Platz und war froh, dass Simon in ihrer Nähe war.
    Endlich tauchte Adrians Haupt über dem Achterkastell auf. »Willkommen!«, rief er. »Soll ich herunterkommen?«
    »Nein, nein! Wir kommen rauf«, antwortete Simon, doch dann fiel ihm seine Schwester ein. »Wartest

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