Hansetochter
Bergen geschickt habe. Dort kann er sich seine Sporen verdienen.«
Vicus Diercksen war ebenfalls in Norwegen? Adrian hatte sich schon gewundert, warum er nicht zu diesem Essen erschienen war. In diesem Falle war es noch besser, dass er Simon Dolch und Harnisch mitgegeben hatte. Der Junge würde es nicht leicht haben. Besser auf jeden Fall, wenn er sich seiner Haut erwehren konnte.
Adrian dankte ausgesucht höflich für das Angebot. Er fühle sich geehrt und werde in den nächsten Tagen deswegen bei Bruno Diercksen vorsprechen.
Kaum waren die Gäste gegangen, setzte er sich an sein Schreibpult und griff zu Feder und Tinte.
L ambert, geliebter Bruder,
ich gebe dem nächsten Schiffer nach Brügge diesen Brief mit, aber ich kann nicht mit an Bord steigen, so gerne ich euch alle wiedersehen würde. Geht es euch gut? Seid ihr alle gesund? Ich habe mich sehr gefreut zu hören, dass Martine wieder guter Hoffnung ist. Gott gebe, dass sie auch diese Schwangerschaft gut übersteht und das Kind gesund zur Welt kommt!
Du bereitest sicher eifrig die Ostermesse vor. Der Handel bei dieser Messe wird besonders gut laufen, vermute ich, denn hier fürchtet man den nächsten Krieg. Sei versichert, dass bis dahin die Cruceborch bei dir eintreffen wird, beladen mit Pelzen und Fellen, Wachs und so viel Bernstein, wie ich nur bekommen konnte.
Was den Schiffbruch angeht, so gibt es angeblich keinen Hinweis auf ein Verbrechen. Mein Gefühl sagt mir nach wie vor etwas anderes. Ich werde weiterhin auf eigene Faust Nachforschungen anstellen. Aber wen soll ich schicken? Ich muss zugeben, hier ist zu viel zu tun für zu wenige Hände.
Ach, Bruder, wie gerne würde ich mit dir auf der Bank unter dem Rosenstock sitzen und all das, was es hier zu bedenken gilt, besprechen! Wie geht es unseren Schwestern? Frag sie, was man in diesem Frühjahr in Brügge trägt, sie werden dir überreichlich Auskunft geben können. Es gibt hier viele reiche Patrizierfrauen, die sich nach Putz sehnen und viel Geld dafür ausgeben. Erst heute hatte ich so eine Dame zu Besuch.
Und jetzt kommt noch eine gute Nachricht: Ratsherr Diercksen hat mir seine Tochter zur Frau angeboten. Wir haben zwar noch nicht über die Mitgift gesprochen, aber 800 bis 1000 Mark Denare werden es wohl sein. Was könnten wir mit diesem Geld alles ausrichten! Unsere eigenen Schwestern könnten wir unter die Haube bringen, zwei zumindest. Damit wäre ihre Zukunft gesichert, und wir hätten eine Sorge weniger. Ich höre schon, wie du Martine diesen Brief vorliest und sie fragt, wie sie denn ist, diese Frau, die ich heiraten soll.
Adrian hielt inne und nahm einen Schluck von seinem mit Wasser verdünnten Wein. Die nächsten Worte wollten gut gewählt sein. Lambert und Martine hatten gegen jede Vernunft geheiratet, weil sie sich liebten. Sie würden nie wollen, dass er eine Frau zur Ehe nahm, die nicht ebenso stark sein Herz berührte. Er tunkte die Feder in die Tinte und schrieb weiter.
Ich muss zugeben: Ich kenne sie nicht sehr gut. Sie ist jung und wohl auch hübsch. Alles Weitere muss ich erst noch herausfinden.
Gott segne euch, auf hoffentlich bald,
euer Adrian
17
Auf der Ostsee, Ende Februar 1376
I n Gottes Namen fahren wir ...«
Der vielstimmige Gesang der Seeleute war weithin über die Trave zu hören. Doch die Fischer, deren Nachen von den Bugwellen der Kogge zum Schwanken gebracht wurden, sahen kaum auf: Die Koggen waren für sie ein wohlbekannter Anblick. Das Lied, das bei Fahrtbeginn von den Seeleuten angestimmt wurde, hatten sie vermutlich schon viele Male gehört. Bei Simon hingegen stellten sich die Nackenhaare auf vor Aufregung. Träumten die Fischer denn nie davon, ihre Heimat zu verlassen, etwas Unbekanntes kennenzulernen? Der Junge stützte sich auf die Reling und spähte die Windungen des Flusses hinauf. Kaum konnte er erwarten, dass sich ein neuer Ausblick auftat. Simon freute sich darauf, endlich ein echtes Abenteuer zu erleben.
Das würde er sich auch nicht von seinem Vetter verderben lassen. Sicher, Nikolas’ Drohung, ihm das Leben schwerzumachen, war nicht zu unterschätzen. Aber auch er hatte gelernt. Auch er würde sich zu behaupten wissen, das fühlte Simon mit der ganzen Kraft seines dreizehnjährigen Herzens. Mehr Sorgen machte ihm da schon seine Schwester. Henrike verstand es immer wieder, ihre Verwandten gegen sich aufzubringen; wenigstens war Nikolas nun nicht mehr in ihrer Nähe. Zwischen den beiden musste etwas Schwerwiegendes vorgefallen sein,
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