Hansetochter
anderen Kunden vertrösten kann«, sagte er gequält.
Adrian verschränkte die Arme. »Das wäre sicher das Beste. Ich erwarte die Fässer am Nachmittag hier. Morgen soll die Kogge ablegen.«
Der Mann verzog das Gesicht. »Am Nachmittag schon? Kann ich nicht morgen ...?«
Adrian fiel ihm ins Wort. »Am Nachmittag. Wie wir es abgemacht hatten. Geschäft ist Geschäft.«
Der Brauer machte sich davon. Sie sahen ihm nach, bis er außer Reichweite war, dann lächelte Adrian Henrike an.
»Dieses Mal habe ich Euch zu danken«, sagte er.
Henrike gab das Lächeln aus vollem Herzen zurück. »Es war mir ein Vergnügen.«
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Sie spürte freudige Erregung, als sie auf die Krambude der Händlerin zuging. Ob sie schon einige Korallenketten für sie verkauft hatte? Die Hökerin – Rixe hieß sie, und der Junge war trotz ihres geringen Alters tatsächlich ihr Sohn – war sofort bereit gewesen, mit ihr Handel zu treiben. Schließlich war der Wachspreis ja auch niedriger gewesen, seit Henrike es versprochen hatte, auch wenn er inzwischen wieder gestiegen war. Aber dafür konnte Henrike anscheinend nichts. Außerdem verdienteRixes Mann als Fischer nur wenig, und die Familie war auf ihr Geld angewiesen.
In der Auslage war keine Korallenkette zu sehen. Wo waren die Ketten? Was war geschehen? Henrike winkte Rixe zu und ging zur Seitentür.
»Gott gröte ju, Vrouw Henrike«, ließ die Frau sie in die Bude. »Stellt Euch vor, ich habe alle Eure Ketten verkauft! Es ist ein gutes Geschäft gewesen. Ich konnte für meinen Sohn sogar ein neues Hemd kaufen von dem Gewinn. Könnt Ihr nicht mehr davon beschaffen?«, fragte sie strahlend.
Henrike hatte sich inzwischen an den Silberblick gewöhnt und wusste, dass die Krämerin sie ansah, auch, wenn es manchmal anders schien. Rixe holte einen Beutel hervor und zählte Henrike ihr Geld ab. Stolz nahm Henrike es in Empfang. Sie würde es gleich weiterverwenden, wollte sie doch Beutel für Wachstafelbüchlein in Auftrag geben. Es würde sicher noch andere geben, die mit den Büchlein hantierten und nicht wussten, wohin damit.
»Kennst du einen guten und ehrlichen Büdel- oder Taskenmaker?«, fragte sie.
»Gleich zwei«, sagte Rixe und nannte ihr Schwestern, die in der Nähe arbeiteten.
Henrike dankte und wollte schon gehen.
»Und Jungfrau, was war denn eigentlich mit dem Wachsherz? Hat es Euch Glück gebracht?«, wollte sie wissen.
Henrike lächelte wehmütig. Der einzige Mann, der ihr gefiel, würde vermutlich eine andere heiraten.
»Ich habe es noch, Rixe. Aber wenn es mir Glück bringt, dann lasse ich es dich wissen.«
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Das Wachs träufelte auf die Kante, Henrike drückte das kleine Siegel ihres Vaters hinein. In Gedanken war sie bei Asta und Katrine, war in dem gemütlichen Gutshaus, hörte den Wind von der Ostsee über das Reetdach pfeifen. Es war ein langer Brief geworden. Sie hatte sich nach dem Befinden der Hofbewohner erkundigt, hatte von den Ereignissen der letzten Zeit berichtet, von Griseus’ Verschwinden und ihren Plänen, hatte Asta gefragt, ob sie schon etwas über den Überfall herausbekommen hatte. Einen Teil des Briefes hatte sie an Katrine direkt gerichtet, hatte der Freundin von ihren Gedanken und Gefühlen geschrieben, und natürlich von dem neuen Garn.
Sie strich nachdenklich über das Wachs, das langsam erkaltete. So viel war in diesen zehn Tagen geschehen, die sie allein im Haus verbracht hatte, dass sie gar nicht zum Briefeschreiben gekommen war. Noch zweimal hatten Kaufleute vor ihrer Tür gestanden und Waren abgeliefert, die ihrem Vater zustanden. Jede dieser Lieferungen war für Henrike wie ein Geschenk gewesen. Da ihr Onkel nichts davon wusste, würde sie damit nach Gutdünken verfahren können. Gemeinsam mit Adrian hatte sie die Ware gesichtet. Einen Teil hatte sie weiterverkauft, einen anderen der Kauffrau Tale von Bardewich anvertraut, die sie in Nowgorod für sie verkaufen würde. Das Gespräch mit den Beutlerinnen war auch vielversprechend verlaufen. Sie waren begeistert von Henrikes Auftrag gewesen. Noch begeisterter waren sie allerdings, dass Henrike gleich eine Anzahlung für die ersten Beutel leistete. Sie bestellte Samt- und Lederbeutel in verschiedenen Farben, manche mit Stickerei, manche ohne. Henrike hatte religiöse Motive in Auftrag gegeben, Blumenstickereien und Sinnsprüche, letztere könnten auch Männern gefallen. Und wenn sie erst Katrines Gürtel bekäme, würde sie damit Handel treiben. Doch durfte sie überhaupt
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