Hansetochter
worden.
»Wo ist Margarete?«, wollte Adrian wissen.
Cord, der sich über einen Wassereimer gebeugt hatte, um seine Hände zu schrubben, sah auf. Als er zu sprechen begann, durchfuhren Adrian Schrecken, Sorge und tiefer Zorn.
»Sie ist im Kerker«, begann Cord und wischte sich die Hände an seiner Schürze ab. »Ich kam aus Wismar zurück. Das Haus war kalt und leer. Niemand war hier, aber ich fand Eure Botschaft. Ich wollte Margarete in der Alfstraße aufsuchen, habe aber nur Rotger, Vresdorps Gehilfen, angetroffen. Er sagte, dass ›die alte Vettel‹ eingebuchtet worden sei. Ich habe erst gar nicht verstanden, wen er meinte. Vresdorp muss nach Hause gekommen sein und Margarete in der Alfstraße aufgefunden haben. Dahat er sie erst verprügelt und dann als Diebin verhaften und einsperren lassen. Stellt Euch das vor! Diese alte Frau, die niemandem etwas zuleide getan und nur das Haus gehütet hat, wie sie mir im Kerker erzählte!« Cords Empörung war echt, und auch Adrian war fassungslos. Hartwig Vresdorp schreckte offenbar vor keiner Schandtat zurück.
»Wir müssen sie aus dem Kerker holen«, sagte er sofort.
»Ja, Herr, das müsst Ihr, und zwar so schnell wie möglich. Ich wollte zu ihr, sehen, ob ich helfen kann. Konnte ich natürlich nicht, aber immerhin durfte ich kurz zu ihr in den Kerker. Sie ist schwer verletzt, Kälte und Nässe setzen ihr arg zu«, sagte Cord sorgenvoll.
Als Adrian aufbrechen wollte, bremste er ihn: »Heute werdet selbst Ihr dort nichts mehr ausrichten können. Aber morgen in der Frühe, da können wir hin.« Er strich sich über die Glatze. »Was bin ich nur für ein Koch! Ihr müsst hungrig sein! Ich bereite Euch schnell eine Mahlzeit.«
Während Cord das Fladenbrot vorbereitete und eine Gemüsesuppe kochte, erkundigte sich Adrian nach seiner Reise nach Wismar.
»Hast du den Schiffer und den Steuermann gefunden? Oder sonst etwas über den Schiffbruch der Gotthilf herausbekommen?«, fragte Adrian.
»Das nicht«, sagte Cord. Er sah auf, ließ aber gleichzeitig sein Messer weiter über das Gemüse tanzen, so dass Adrian Angst um die Finger seines Kochs bekam. »Krug um Krug Bier musste ich ausgeben, bis ich endlich jemanden fand, der weiterhelfen konnte.«
Adrian steckte sich ein paar Mandeln in den Mund. Seine letzte richtige Mahlzeit war Stunden her. »Das war sicher eine schwere Aufgabe«, schmunzelte er.
»Das war es, Herr.« Cord grinste. »Dann aber erwähnte jemand einen Händler, der so günstige Waren verkauft, dass sienur gestohlen sein konnten. Ich bin also hin.« Er warf einige Gewürze in den Topf. »Es war ein Kaufkeller am Hafenrand – voll von beschädigter und minderwertiger Ware! Bei den meisten Fässern war das Kaufmannszeichen herausgehauen. Trotzdem konnte ich bei einigen noch Konrad Vresdorps Merke erkennen. Es war eine kräftige Bestechung nötig, damit der Händler den Mund aufmachte, das könnt Ihr Euch doch sicher denken, Herr?«
Adrian nickte. Wenn Cord das sagte, würde es stimmen.
Während der Koch die Suppe fertigstellte, berichtete er weiter. »Ihr werdet es nicht glauben: Es gibt ein Abkommen zwischen einigen Kaufleuten und den Seeräubern! Es scheint Händler zu geben, die die Piraten gezielt auf die Fahrrouten besonders reich beladener Schiffe hinweisen, um sie ausrauben zu lassen und sich anschließend mit den Freibeutern den Erlös zu teilen. Der Händler hat Andeutungen gemacht, dass die Gotthilf heil ist und versteckt wird, bis sich niemand mehr an ihren vermeintlichen Untergang erinnert. Dann soll sie unter einem anderen Namen verkauft werden.«
Cord stellte seinem Herrn eine Schale Suppe hin und legte Brot dazu. Adrian lud ihn ein, sich zu ihm zu setzen und auch etwas zu essen.
Cord war jedoch noch nicht fertig mit seinem Bericht. »Und was die Höhe ist: Die Piraten werden offenbar durch Ratsmitglieder in verschiedenen Städten geschützt, auch hier in Lübeck. Die wollte er jedoch nicht nennen, dafür brauche ich beim nächsten Besuch mehr Geld.«
Cord war zum Rat der Stadt Wismar gegangen und hatte den Händler im Namen seines Herrn angezeigt. Nach einigem Hin und Her hatten die Büttel tatsächlich das Lager geräumt und die Waren beschlagnahmt. Wie es jetzt weitergehen würde, wusste er jedoch nicht.
Adrian dachte angestrengt nach. War es Hartwig Vresdorpzuzutrauen, dass er das Schiff seines Bruders überfallen ließ? Dessen Waren hätte er doch ohnehin bekommen, was also brachte es ihm ein? Andererseits hätte er einen
Weitere Kostenlose Bücher