Hansetochter
weil sich hier englische, flandrische und normannische Piraten tummelten, seit die Marine durch den englisch-französischen Krieg eingespannt war. Ausgerechnet jetzt, wo sie Lübeck fast erreicht hatten, musste noch etwas passieren?
»Möglich wär’s. Gerade die Mecklenburgischen schicken Kaperfahrer auf die See. Und wenn die Piraten keinen Auftrag mehr haben, machen sie auch ohne Kaperbrief weiter. Auf eigene Rechnung, sozusagen«, meinte der Schiffer. »Hat es ein Kreuzauf dem Masttop?«, rief er zum Ausguck hinauf. In diesem Fall wäre es vermutlich ein anderer Kauffahrer und keine Gefahr.
Noch bevor aus dem Mastkorb eine Antwort kam, schälte sich der Rumpf eines Schiffes aus der Nebelbank. Es näherte sich ungewöhnlich schnell, und es fuhr direkt auf sie zu. Adrian erkannte einen Tierkopfsteven, dessen eine Hälfte fehlte; er sah aus wie ein Drache, der schon so manche Schlacht geschlagen hatte. Nein, das war kein Kauffahrer!
Adrian Vanderen sprang an Deck. Behände öffnete er die Truhe mit den Waffen, verteilte Harnische und Enternetze. Der Schiffer schrie Befehle, die Männer legten Harnische an und machten sich an dem Segel zu schaffen.
»Wir versuchen, Zeit zu gewinnen. Aber kriegen tun sie uns so oder so«, rief Bosse. Als ihre Kogge an Fahrt aufnahm, verschwand das andere Schiff wieder in den Nebelschwaden, als hätte sich ein Vorhang vor ihm geschlossen. Flink und geschickt zogen die Matrosen die Enternetze über die wichtigsten Teile des Schiffes – so würden die Piraten es schwerer haben, an Bord zu gelangen. Adrian war froh, dass er auf den Rat seines Kapitäns hin mehr Männer angeheuert hatte, als zum Führen der Kogge nötig waren. Er gab noch immer Waffen aus, als der schmale Kaufmannsgehilfe an seinem Wams zerrte.
»Es sind doch Piraten, oder? Heiliger Sankt Nikolaus, unser letztes Stündlein hat geschlagen!«, klagte Amelius weinerlich. Adrian drückte ihm einen Dolch in die Hand und schob ihn an die Reling.
»Verteidigt Euch und Euer Gut statt zu jammern«, forderte er ihn auf. Der Gehilfe hörte nicht auf ihn und verschwand in der Unterkunft. Adrian band sein Schwert um.
»Schiff backbord!«
Kaum hatte er seine Armbrust hervorgeholt, schrien die ersten Schiffsmänner auf. Dann geschahen mehrere Dinge auf einmal. Adrian verlor das Gleichgewicht, als ein gewaltiger Rammstoßdas Schiff erschütterte. Die Planken knirschten, als ob die Cruceborch auseinanderbrechen würde. Das Kaperschiff ächzte an der Bordwand entlang. Auf seinem Deck standen die Piraten, die Säbel erhoben und laut brüllend. Die ersten Enterhaken flogen herüber, Taue wurden an ihrem Schiff festgemacht. Für seinen Harnisch blieb keine Zeit mehr. Kurz entschlossen schob Adrian einen kleinen Beutel unter sein Wams.
»Kappt die Taue!«, befahl er und stürmte auf das Achterkastell. Die Bootsjungen Jan und Liv machten sich daran, die Seile durchzutrennen.
Die ersten Piraten waren inzwischen auf die Cruceborch gesprungen. Ihre Köpfe waren durch lederne Kapuzen mit Schulterkragen geschützt, manche trugen Harnische, alle Waffen. Adrian legte an, spannte die Armbrust, erwischte mit dem Bolzen einen Piraten im Sprung. Manche verhedderten sich in den Enternetzen, konnten sich jedoch daraus befreien. Neben ihm schlug ein Brandpfeil ein, ein weiterer durchteilte das Segel. Auch das noch! Wie schnell standen Segel oder Leinenpakete in lichterlohen Flammen, dann müssten sie an mehreren Fronten kämpfen, zugleich die Piraten vertreiben und das Feuer löschen!
Überall an Bord tobten Zweikämpfe. Adrian hatte den Schützen der Brandpfeile entdeckt. Er holte den nächsten Bolzen hervor. Prüfte hölzerne Befiederung und Metallspitze. Machte die Armbrust bereit. Zielte, schoss daneben. Weitere Brandpfeile schlugen auf dem Deck ein. Schon begannen erste Flammen zu lodern. Am Bug war es den Bootsjungen gelungen, die Taue zu kappen, dort lösten sich die Schiffe wieder voneinander. Ein Seeräuber ging auf sie los, hieb mit dem Beil auf die beiden Jungen ein. Adrian spannte die Armbrust, legte erneut an, traf den Piraten im Bein. Der Seeräuber jaulte auf, die Bootsjungen rannten auf ihn zu, gemeinsam gelang es ihnen, ihn über Bord zu stoßen. Das Feuer breitete sich aus, ein Schiffsknecht versuchte verzweifelt, es zu löschen. Adrian spannte erneut die Armbrust,er musste den Schützen der Brandpfeile aufhalten! Er atmete tief ein, schoss – und traf. Endlich!
Doch weitere Piraten stürmten auf das Achterkastell. Adrian
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