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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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Bleikegel hängen geblieben waren. Das Loten war unerlässlich, orientierten sich die Schiffer doch nur an Landmarken wie Hügeln, Flussmündungen oder Kirchtürmen, den Himmelsgestirnen und eben der Lotspeise. Rufe gingen hin und her. Während Matys dem Steuermann an der Ruderpinne neue Anweisungen gab, ließ Adrian zufrieden seinen Blick über das Schiff wandern. Die Cruceborch war eine neue Kogge, sie hatte ein Vermögen gekostet.
    Jahrelang hatte er wie alle Kaufleute dafür bezahlt, Schiffe zu befrachten, oder hatte Anteile an Schiffen erworben. Es gefiel ihm jedoch nicht, von anderen abhängig zu sein. Nicht immer wurde ehrlich abgerechnet, oft hatte es Streit über Anteile und Ausgaben gegeben. Schließlich waren oft über dreißig Kaufleute als Reeder an einem Schiff beteiligt. Seine eigene Kogge brachte ihm nicht nur Verlässlichkeit, sondern würde ihm auf lange Sicht auch Kosten ersparen. Er würde durch den geräumigen Laderaum der Cruceborch größere Mengen Waren handelnkönnen, und das wiederum würde seine Gewinnspanne erhöhen. Außerdem genoss er es, auf seinem eigenen Schiffsdeck zu stehen. Es würde Eindruck machen, wenn er auf seiner Kogge in den Lübecker Hafen einfuhr, und auf Eindruck war er dieses Mal aus.
    Als Kaufmann hatte er vieles erreicht, von dem er als kleiner Junge kaum zu träumen gewagt hatte. Er stammte aus einer Familie von Handwerkern. Sein Vater, ein Goldschmied aus Nürnberg, hatte wenig Geschäftssinn besessen und die Familie gerade so über die Runden gebracht. Sobald er schreiben konnte, hatte Adrian darüber Buch geführt, von wem sein Vater wie viel Geld bekam, und ihn daran erinnert, es einzutreiben. Später hatte er mit Kaufleuten verhandelt, damit diese des Vaters Arbeiten auf Messen mitnahmen und verkauften. Einer dieser Händler hatte Adrians Talent erkannt und ihn zum Lehrling genommen. Doch auch ihn hatte Adrian längst überflügelt. Seitdem hatte er nur in Zahlen und Waren gedacht, war die Welt des Handels alles für ihn gewesen. Das Handelshaus, das er heute mit seinem Bruder Lambert in Brügge führte, war weithin bekannt. Mit vielen hundert Handelspartnern tauschte er Waren und Nachrichten aus, hatte durch Geschick und Glück Reichtum erlangt.
    Für die nächsten Jahre hatte er sich einiges vorgenommen. Er wollte Zugang zu den gewinnversprechenden Handelsmärkten im Norden und Osten. Bis Pelze, Wachs oder Getreide aus Reval, Dorpat oder Nowgorod in Brügge ankamen, hatte sich ihr Preis durch die vielen Zwischenhändler um ein Vielfaches erhöht. Andere Waren wie Rosenkränze aus Bernstein waren oft nicht in den Mengen zu bekommen, für die es Nachfrage gab. Auch hatte er mit Betrug und Räuberei zu kämpfen, gegen die seiner Meinung nach nicht genug getan wurde. Ja, Adrian Vanderen hatte viele Ideen, wie sich der Handel verbessern ließ, und er hoffte, in Lübeck einige mit Hilfe seines guten Freundes Konrad Vresdorp verwirklichen zu können. Er wollte mitbestimmen,welche Wege der Handel nahm, welche Gesetze darin galten. Außerdem, und das war ihm genauso wichtig, würde sein neues Standbein in Lübeck die Zukunft seiner Familie sichern, insbesondere die seiner drei Schwestern, die versorgt werden mussten.
    Jetzt wandte sich Bosse Matys wieder seinem Herrn zu und nahm seine Erzählung von Neuem auf, als wäre er nie unterbrochen worden. »Als der Meisterschütze Egil an König Nidungs Hof aufgenommen werden wollte, stellte dieser ihm eine fast unlösbare Aufgabe. Mit nur einem Schuss solle er einen Apfel vom Haupte seines Sohnes schießen, forderte der König.« Bosse wollte eben fortfahren, als ihn ein plötzlicher Ruf aus dem Krähennest erneut unterbrach.
    »Schiff achtern!«, hallte es über das Deck.
    Adrian starrte in den Nebel. Dicht war er an die Cruceborch herangekrochen, kein weiteres Schiff war zu sehen. Die Schiebeluken knarrten, die Kaufleute strömten wieder an Deck. Bei einer eintönigen Schiffsreise war jede Abwechslung willkommen. »Wenn das man nicht Piraten sind, Seeräuber!«, rief ein kleiner, schmächtiger Kaufmannsgehilfe, der auf den Namen Amelius hörte und im Auftrag einer reichten Witwe aus Lübeck unterwegs war. Vanderen nahm den besorgten Ausdruck im Gesicht seines Schiffers wahr und unterdrückte ein Fluchen. Ihre Reise von Brügge über den Fluss Swin, die Nordsee und entlang der dänischen Küste war bislang gut verlaufen. Dabei war gerade der Swin zwischen Brügge und Ärmelkanal ein gefährliches Revier für Handelsschiffe,

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