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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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dicklichen Körper wirkte er wie ein schmollendes Kind. »Ich werde mich bei meinem Vater beschweren. Ihr werdet schon sehen, was Ihr davon habt!«
    Der Gesellenobmann lachte schallend. »Dein Vater hat dich hierher geschickt, damit du etwas lernst. Ich würde Ärger mit ihm bekommen, wenn ich dich nicht arbeiten ließe.«
    »Aber der Tran, ausgerechnet   ...« Vicus klang weinerlich.
    »Ja, ausgerechnet der Tran.« Otte sah Simon an. »Du kannst natürlich auch mit dem jungen Vresdorp tauschen. Der muss mit Claas die Abfälle zusammenkarren und beseitigen.«
    Vicus fuhr entsetzt mit der Hand über den Mund. »Also gut, ich kümmere mich um den Tran   – aber nur heute!«, lenkte er ein.
    Wieder grinste sein Gegenüber. »Tja, auch das hast nicht du zu bestimmen. Auf, auf! Genug geglotzt! An die Arbeit!«, forderte er die anderen auf.
    Dann wandte er sich Simon zu. »Willst du auch rebellieren, Kleiner?«
    Simon zog die Schulterblätter zusammen und versuchte, sich groß zu machen. Er hatte auf der Schiffsreise Einiges über das Leben in der Tyskebrygge erfahren. Er wusste, dass es hier auch darum ging, die Jungen zu prüfen und zu quälen, und dass die Spiele, die man hier trieb, ganz und gar nicht lustig waren. Und er wusste auch, dass Angst oder Widerstand seine Prüfungen nur verlängern würden.
    »Keineswegs, Herr Gesellenobmann«, sagte er tapfer, obwohl es weit unter seiner Würde war, sich mit Unrat abzugeben. »Jeder hat mal klein angefangen, oder? Und auch die unangenehmen Aufgaben müssen erledigt werden.«
    Der Mann musterte Simon prüfend und sagte ihm dann, wo er Claas finden würde.
    ~~~
    Simon wusch und schrubbte Hände und Oberkörper nach Kräften, und doch kam es ihm vor, als ob der Gestank weiterhin an ihm haftete. Stundenlang hatten Claas und er die Abfälle des Hofes zusammengekarrt und in Kähne geladen, die morgen vor die Stadt gefahren werden sollten. Beim Essen hatten sie nur die kleinsten Portionen abbekommen. Offenbar galt hier das Recht des Stärkeren, und weil Claas noch weniger satt wurde als er, hatte er dem Gefährten etwas abgegeben. Claas hatte sich schon in ihrer Koje verkrochen, aber Simon wollte unbedingt noch den beschämenden Geruch loswerden.
    »Brauchst dich gar nicht so zu mühen«, meinte ein älterer Lehrjunge mit blondem, borstigem Haar beiläufig, als er an ihm vorbeiging.
    Vermutlich meinte er, dass ihnen allen schon bald der Geruch von Stockfisch so anhaften würde, dass er alle anderen Gerüche überdeckte, dachte Simon und goss sich noch eine Schale Wasser über. Schließlich gab er auf und stieg in die Schlafkammerhinauf. Er hatte gerade den Holzladen geschlossen und den leise schnarchenden Claas beiseitegeschoben, als er das Trommeln vernahm. Waren nicht alle Bewohner des Hofes längst im Bett? Plötzlich wurde der Bettladen aufgerissen. Fremde Hände zerrten Claas und ihn rücksichtslos aus dem Bett. Was wollten die Gesellen von ihnen?
    »Was soll das?«, rief er und versuchte, sich aus dem festen Griff zu lösen.
    Ein Seil wurde um seine Hüfte geschnürt. Er wollte sich befreien, doch jemand flüsterte ihm zu, dass es glimpflicher abgehen würde, wenn er Tapferkeit bewies; es war der Blonde von eben. Am Seil wurde er mitgezogen wie ein Stück Vieh. Auch Claas hatte man festgebunden, der Junge weinte. Der schmale Gang war jetzt von Fackeln erleuchtet. Simon sah die schreckensblassen Gesichter weiterer Lehrjungen, die mit auf der Kogge gewesen waren, darunter auch das von Vicus Diercksen, in dessen Augen ebenfalls Tränen standen. Das Schlagen der Trommeln wurden lauter. Simon blickte in den Hof hinunter, entdeckte eine gespenstische Prozession mit einem Narren, einem Bauern, einem Bauernweib und jungen Männern, die lachend Fässer schleppten. Sie wurden die Treppe hinuntergeschoben und mussten sich wohl oder übel den johlenden Menschen anschließen.
    Die Prozession führte zum Schütting. Die Gefesselten wurden in die Nähe des Herdes gebracht. Der Narr, der Bauer und das Bauernweib, auf deren Gesichtern sich Bartschatten zeigten und in denen Simon Bewohner des Hofes zu erkennen glaubte, schwangen wirre Reden. Die Zuschauer reichten einen Krug Bier herum, tranken abwechselnd.
    Plötzlich wurde Claas als der Jüngste nach vorne gestoßen. Einer warf das Seil, an dem er befestigt war, über einen Balken. Claas wurde hochgezogen, hilfesuchend streckte er die Hände nach Simon aus.
    »Halt durch, dir geschieht nichts«, versuchte Simon seinen Freund zu

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