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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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dich den passenden Ehemann gefunden. Aber er war auch müde, ungewöhnlich müde. Noch erzählte er, und von einem auf den anderen Moment wurde ihm schlecht, und er starb mir unter den Fingern weg. Seine Lippen waren merkwürdig schwarz.« Mette wirkte erschüttert. »Seine letzten Worte galten dir und deinem Bruder Simon. Er sagte, er sei froh, dass ihr einander habt. Ihr würdet immer zusammenhalten, das sei sein Trost.«
    Henrike ließ zu, dass ihr die Tränen nun über die Wangen rannen. Genauso empfand sie auch, und deshalb war ihre Angst um Simon auch so stark.
    »Wir konnten deinen Vater nicht hier lassen. Also brachte ihn Aron, der Hurenwirt, auf die Straße und holte die Büttel.«
    Henrike wischte sich die Tränen ab. Vorhin hatte sie noch Wut und Ekel bei dem Gedanken an diese Frau empfunden, aber jetzt, wo sie ihr gegenübersaß, waren diese Gefühle wie weggeblasen. Mette war unverstellt ehrlich zu ihr, geradeheraus, vermutlich nahm sie auch sonst kein Blatt vor den Mund. Sie ahnte, dass ihr Vater diese Eigenschaften an Mette geschätzt hatte.
    »Hast du ein Kind von meinem Vater?«, fragte sie nun selber rundheraus.
    Mette lächelte erneut. »Auch so ein Gerücht. Nein, ich habe ein Kind von einem Erzbischof, der mich als seine Mätresse hielt. Doch als ich ihm unbequem wurde, warf er mich aus dem Haus, und ich fand kein Unterkommen mehr, also kam ich hierher. Wie jedes Gerücht hat es einen wahren Kern: Dein Vater unterstützte mich, genauer gesagt uns. Ohne ihn hätte ich meine Tochter gewiss nicht großziehen können, ohne ihn hätte ich mir mein Haus vor den Toren der Stadt kaum leisten können.«
    Mette stand auf und holte einen pelzgefütterten Umhang aus einer Truhe, den sie um ihre nackten Schultern legte. Ruhigrückte sie die Tücher an den Bettpfosten zurecht, nahm die Weidenruten auf und steckte sie in eine Art Köcher.
    »Manche lieben es eben, gezüchtigt zu werden«, sagte sie beiläufig.
    Als sie Henrikes fragenden Blick bemerkte, fügte sie hinzu: »Na, sie kriegen nur einen hoch, wenn man sie schlägt und quält. Oder wenn sie jemanden anders schlagen und quälen dürfen.«
    »Wie Nikolas«, mutmaßte Henrike leise, doch Mette hatte es gehört.
    »Ja, wie Nikolas. Oder wie deine Tante und dein Onkel. Wobei sie lieber schlägt als geschlagen wird. Sie hat gern die Hosen an, auch im Bett. Aber dein Vetter, der mag beides, und zwar heftig. Den sehe selbst ich nicht gern hier.« Mette verzog das Gesicht, und auch Henrike grauste es bei der Vorstellung.
    Sie wandte sich lieber wieder dem eigentlichen Grund ihres Besuches zu. »Ich habe die Befürchtung, dass meine Tante meinen Vater vergiftet haben könnte. Aber warum sollte sie so etwas tun?«, überlegte sie laut.
    »Das weiß ich nicht«, sagte Mette, und es klang, als ob sie es ehrlich bedauerte. »Menschen werden aus den unterschiedlichsten Gründen umgebracht, glaub mir. Dein Vater hatte viele Feinde. Es gab Konkurrenten, die ihm seine guten Geschäfte mit Brügge und dem Orden neideten. Es gab Männer, die ebenfalls einen Bürgermeisterposten anstrebten, und die wussten, dass sie gegen ihn verlieren würden. Beides trifft beispielsweise auf Bruno Diercksen zu.«
    »Diercksen?« Konnte Bruno Diercksen der Ratsherr sein, den ihr Onkel erwähnt hatte und der in die Betrügereien verwickelt war? »Dabei fürchtete ich sogar einmal, ich müsste seinen Sohn Vicus heiraten.«
    »Lange schon träumt Diercksen von der Macht. Aber jetzt ist er alt und krank. Seine Zeit wird knapp, und er weiß das. Deshalb zieht er auf unterschiedlichen Ebenen die Strippen.Die verschiedensten Heiratsversprechen gehören dazu, das war wohl auch so eins. Er macht Geschäfte mit Herzog Albrecht von Mecklenburg, leiht ihm mehr Geld, als er tatsächlich hat. Er hofft, dass der Mecklenburger es ihm lohnen wird, wenn er erst dänischer König ist. Ein Adelstitel, das ist es, was Bruno Diercksen eigentlich will. Ein Wappen hat er ja schon.« Mette lächelte spöttisch.
    Henrike staunte darüber, wie gut so eine Dirne über die Vorgänge in einer Stadt informiert war, und sie erinnerte sich nun daran, dass der Wappenmaler bei Diercksen gewesen war, als sie sich mit Asta das Testament verlesen ließ.
    »Mein Vater   ...«, begann sie.
    »Auch dein Vater hat ein Wappen in Auftrag gegeben und sich um einen Wappenbrief bemüht. Hübsch ist es und nicht so protzig. Sicher musst du es nur noch beim Wappenmaler auslösen. So gerne wäre er Bürgermeister geworden! Und er

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