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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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Welt geschafft wären, könnte er weitermachen wie bisher. Oder besser: Er könnte eine rechtschaffene Laufbahn in die Wege leiten und vielleicht, da sein Bruder ja durch seinen frühzeitigen Tod aus dem Rat geschieden war, sogar selbst einen Ratssitz anstreben. Der Name Vresdorp hatte noch immer einen guten Ruf in der Stadt.
    Wenn diese Betrugsvorwürfe nur endlich verstummen würden! Aber dafür war er auf Diercksens Hilfe angewiesen, und der ließ sich jede noch so geringe Tat, jeden unterschlagenen Brief vergolden. Grob stieß Hartwig Vresdorp einen Bettler beiseite. Das Elend in der Stadt nahm langsam überhand. Vor die Mauern treiben sollte man das Gesindel! Sie sollten arbeiten wie er auch. Wenn man sie härter anfassen würde, würden sie auch etwas erreichen. Wie auf dem Ostseehof, den Asta viel zu lange schlaff geführt hatte. Es war ein guter Einfall seines Stiefsohnes gewesen, einen neuen Verwalter dorthin zu schicken. Auch wenn sich dieser Dietrich Grapengeter nun schon länger nichtmehr gemeldet hatte. Immerhin schien sich Nikolas in Bergen gut zu machen. Und seine sadistische Ader konnte er dort an seinem nichtsnutzigen Vetter auslassen. Das blutige Hemd bewies zur Genüge, dass er sich keinen Zwang antat. Ihm war es egal. Hauptsache, er musste sich nicht noch einmal mit dem Bengel auseinandersetzen. Er hasste Kinder. Ihren Widerspruchsgeist, ihr Weinen und Quengeln, den hündischen Blick, mit dem sie einen ansehen konnten. Sie sollten hinaus in die Welt, ihr eigenes Leben führen, und zwar so früh wie möglich. Wie es Telse und Nikolas inzwischen taten. Auch Simon würde er schon noch loswerden.
    In Diercksens Kaufkeller kam ihm der Ratsherr sogleich entgegen. Im hinteren Teil des Gewölbes herrschte rege Geschäftigkeit. Als Hartwig sich neugierig reckte, konnte er sehen, wie mehrere Männer lange Metallrohre in Kisten verpackten, doch dann zog Diercksen ihn schon mit sich, humpelte vor ihm die Treppe hinauf und in die Dornse.
    »Der Metallhandel läuft gut, wie?«, fragte Hartwig neugierig.
    Der alte Mann ließ sich in seinen Armstuhl fallen. »Kann nicht klagen«, brummte er und steckte sich ein Stück Konfekt in den Mund.
    »Und die Geschäfte mit dem Herzog?« Hartwig konnte den Blick kaum von dem Konfekt abwenden, doch ihm wurde nichts angeboten.
    »Seine Angelegenheit steht kurz vor dem Abschluss. Und dann steht meinem Aufstieg nichts mehr im Wege. Das soll auch Euer Schaden nicht sein«, sagte Bruno Diercksen und hielt seinem Gast nun endlich doch die Schale mit dem Naschwerk hin.
    Er griff zu, warf ein Stück Konfekt in den Mund und verschlang es mit einem Biss.
    »Doch bevor es so weit ist, habe ich eine wichtige Aufgabe für Euch.« Sein Gegenüber beugte sich vor, stützte beide Hände auf den silbernen Stockknauf. »Adrian Vanderen wird morgen nachWismar reiten, um seiner Beschwerde wegen des Schiffbruchs Nachdruck zu verleihen. Er darf die Stadt nicht erreichen.«
    Hartwig Vresdorp spitzte die Lippen, er brauchte einen Moment, bis er verstand. »Ich dachte, er soll Eure Tochter heiraten?«, wagte er anzumerken.
    »Denken war noch nie Eure Stärke.« Das spöttische Schnauben des Ratsherrn ging in einen Hustenanfall über. Als er sich wieder beruhigt hatte, sagte er: »Ich wollte ihn auf meine Seite bringen. Ihn hinhalten. Mein zukünftiger Schwiegersohn würde sich kaum gegen mich wenden, dachte ich. Habe ihm gesagt, dass ich mich darum kümmern und herausfinden werde, was mit dem Schiff geschehen ist. Hatte gehofft, alles würde friedlich im Sande verlaufen. Aber er lässt einfach nicht locker. Harter Hund, dieser Vanderen.«
    Mit seinen wulstigen Fingern schob er die restlichen kandierten Früchte durcheinander, entschied sich für ein Stück Ingwer, betrachtete es nachdenklich. »Wenn er mich in die Sache mit hineinzieht, ist es um meinen Ruf geschehen. Wenn man glaubt, dass ich mit den Seeräubern gemeinsame Sache mache, werde ich nie Bürgermeister. Ich bin jetzt ganz nahe dran. Aber ich weiß auch, wenn ich nächstes Jahr nicht Bürgermeister werde, werde ich es nie mehr. Also muss er aufgehalten werden.«
    Hartwig kräuselte den Mund, als er folgerte: »Ihr wäret also nicht allzu traurig, wenn ihm   ... etwas zustoßen würde.«
    Der Ratsherr biss von dem kandierten Ingwer ab, kaute genüsslich. »Sein Pferd könnte verunglücken. Die Straße nach Wismar ist unsicher. Ständig sind Räuber unterwegs. Es kann so viel passieren. Lasst Euch etwas einfallen«, sagte er.
    Sein Gast

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