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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weiß
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es tun. Das Mädchen muss hier weg, vorerst zumindest. Sie treibt deine Mutter und mich mit ihrer Widerborstigkeit zur Weißglut. Ich würde sie ja mit der Rute zur Vernunft bringen. Aber jetzt, so kurz nach Konrads Tod, sind noch zu viele Augen auf uns gerichtet«, sagte Hartwig Vresdorp. Die Gerichtsbarkeit der Stadt sah es nicht gern, wenn Frauen geprügelt wurden, in besonders schweren Fällen schritt sie sogar ein.
    »Ein Jammer«, sagte Nikolas versonnen und grinste bei der Vorstellung, wie Henrike mit der Rute gezüchtigt wurde.
    »In der Tat«, stimmte Hartwig ihm zu. »Bring sie jetzt zu mir. Wir haben sie einsperren lassen, damit sie nicht noch mehr Unfrieden stiftet.«
    ~~~
    Henrike drehte die Haarnadeln, die sie von Adrian Vanderen bekommen hatte, in den Fingern. Sie waren kunstvoll gearbeitet und dennoch stabil. Hieß es nicht, dass manche Diebe mit der Hilfe von Haarnadeln Türschlösser öffnen konnten? Vielleicht sollte sie sich an der Tür ihrer Kammer einmal versuchen, denn so langsam hielt sie es nicht mehr aus. Sie hockte sich vor die Tür und wollte gerade eine Nadel ins Schloss schieben, als sich das Schlüsselloch verdunkelte. Jemand kam! Henrike flüchtete sich auf ihr Lager und tat, als träumte sie vor sich hin. Als überraschend Nikolas Vresdorp eintrat, versuchte sie sich schnellwieder aufzusetzen. Doch zu spät, er hatte sie liegen sehen. Ihr Vetter ließ beifällig seinen Blick über ihren Körper wandern. Ihre Nackenhaare stellten sich auf. Sie mochte es nicht, so angeschaut zu werden, von ihrem eigenen Vetter schon gar nicht. Auch wenn Nikolas Vresdorp mit seiner kräftigen Gestalt, seinen kantigen Gesichtszügen und dem akkuraten dunklen Bart wohl das war, was manche Frau gutaussehend nannte.
    »Wie gerne hätte ich dir in dieser stillen Kammer die Zeit vertrieben! Du hättest die Flöte für mich spielen können. Wie du vielleicht weißt, liebe ich die Musik. Vor allem wenn so hübsche junge Frauen blasen   – die Flöte, meine ich«, sagte er mit einem Lächeln, das sie gefrieren ließ, und setzte bedauernd hinzu: »Aber du sollst in die Schreibkammer kommen.«
    Hartwig Vresdorp thronte im Armlehnenstuhl ihres Vaters, hatte dessen Handelsbücher vor sich und hielt die Feder seines Bruders in den Händen. Wie konnte er alles so selbstverständlich an sich nehmen? Henrike bezwang mühsam ihre Wut. Glücklicherweise war ihr Vetter Nikolas verschwunden. Er hatte sich im Flur bei den Kammern abgesetzt und gemeint, er hätte etwas zu erledigen. Bei dem Ausdruck, der sich dabei auf seinem Gesicht gezeigt hatte, hatte sie lieber nicht nachgefragt.
    Nachdem ihr Onkel sie einen Augenblick hatte warten lassen, kündigte er an, dass sie abreisen würde. Henrike verstand nicht. Was sollte sie auf diesem Gut in der Nähe der Ostsee? Und das jetzt, im Herbst? Als Kinder hatten Simon und sie oft den Sommer bei der seltsamen Asta verbracht. Die Witwe mochte Kinder nicht besonders. Sie hatte sich kaum mit ihnen abgegeben und wenn, dann war sie schroff gewesen. Doch als sei die Angelegenheit für ihn erledigt, ging der Onkel zum Schrank, in dem ihr Vater seine Unterlagen und seine Schatullen verwahrte, und kramte darin herum. Er schwankte leicht, seine Bewegungen waren fahrig, als sei er betrunken. Für Henrike war es, als würde er das Andenken des Vaters beschmutzen.
    »Aber ich will nicht weg«, protestierte sie. Ihr Onkel sah auf, sein Blick war glasig.
    »Es ist besser für dich. Du bist aufgewühlt durch den Tod deines Vaters. Durchaus verständlich. Du wirst dort zur Ruhe kommen, kannst in dich gehen«, sagte er langsam.
    Sie sollte das Haus also zu ihrem eigenen Wohl verlassen? Diese Fürsorglichkeit kam ihr falsch vor. Auch grollte sie ihrem Onkel, weil er sie von der Verlesung des Testamentes ferngehalten hatte.
    »Es gibt hier so viel zu regeln. Ich kann mich um Vaters Nachlass kümmern«, schlug sie vor.
    »Das mache ich schon für Simon und dich. Hast du vergessen, ich bin euer Vormund.«
    Wie könnte sie das vergessen? Aber sie wollte selbst ein Auge darauf haben. Vielleicht wollte sie sich auch nur an das klammern, was ihr von ihrem Vater geblieben war.
    »Ich möchte aber hier bleiben«, sagte sie bestimmt.
    Plötzlich fegte er mit einer unbeherrschten Bewegung den Inhalt des Schrankfaches auf den Boden. Bücher, Papiere, Siegel und Gewichte fielen durcheinander. Henrike zuckte zusammen. Lautstark fuhr er sie an: »Das ist es, was du lernen musst. Gehorsam und Zucht!« Darum also

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