Hansetochter
nur, weil Ihr das Bürgerrecht erwerben müsstet.«
Nachdenklich strich Adrian über die Narbe in seiner Augenbraue. »Konrad Vresdorp wollte für mich bürgen. Aber nun ... Mit einem lädierten Schiff und einer verlorenen Ladung findet sich nicht leicht ein bereitwilliger Bürge«, gab er zu. Nicht, dass er in seinem Stolz überhaupt jemanden gefragt hätte, aber es hatte sich eben auch niemand angeboten.
Osenbrügghe tätschelte ihm väterlich den Arm. »Warum habt Ihr nicht längst mich gefragt? Ich wäre dazu bereit, wenn Ihr es wünscht.«
Adrian freute sich sehr über dieses Angebot, doch gleichzeitig fühlte er sich beinahe beschämt durch die Hilfe des älteren Herrn. Schließlich war er es gewöhnt, für sich selbst einzustehen.
»Warum tut Ihr das für mich?«
»Ich weiß, Ihr seid ein guter Mann. Und wir guten Männer müssen zusammenhalten, oder etwa nicht?«, meinte Hermanus von Osenbrügghe verschmitzt.
~~~
Adrian tunkte die Feder ein. Schwungvoller als sonst war seine Schrift, weite Schwingen zierten das Papier. Nur wenige Tage nach dem Handel mit Osenbrügghe und der Witwe war er in Hochstimmung.
»... kann ich dir mitteilen, dass dein Bruder nun ehrenwerter Bürger der Stadt Lübeck ist. Hermanus von Osenbrügghe, der dir j a auch bekannt ist, hat für mich gebürgt. Natürlich habe ich das Bürgergeld sofort bezahlt. Jetzt werde ich mir erst einmal einen neuen Harnisch machen lassen. Schließlich muss ich jederzeit zur Verteidigung meiner neuen Heimatstadt bereitstehen, auch der Wachtdienst ist für Lübecker Bürger Pflicht ...«
Er lächelte in sich hinein, als er sich vorstellte, wie er gemeinsam mit den alten Herren Osenbrügghe und Diercksen marschierte. Jäh wurde er aus diesen Gedanken gerissen, als es an der Tür klopfte. Es war Cord.
»Nicht jetzt«, sagte Adrian und setzte die Feder erneut an. Es gab noch so Vieles zu berichten von der schlichten Zeremonie in der Kanzlei und von dem Bürgereid, den er dem Stadtkämmerer nachgesprochen hatte! Cord ließ sich jedoch nicht abweisen. Adrian sah stirnrunzelnd auf.
»Herr, verzeiht. Aber das wird Euch interessieren. Endlich habe ich jemanden gefunden, der bei dem Überfall auf Konrad Vresdorps Schiff dabei war! Ihr könnt ihn gleich im Krug treffen, wenn Ihr wollt.«
Ohne ein weiteres Wort streute der Kaufmann Sand zum Trocknen auf die Tinte und legte die Feder ab. Für den Brief war auch später noch Zeit.
»Hol Liv, wir gehen gemeinsam.«
~~~
Auf dem Weg zum Krug erzählte Cord, wie er sich Tag für Tag unter den Seeleuten umgehört hatte. Erst an diesem Abend war er in der Hafenschenke fündig geworden. Er hatte dem Seemann einige Humpen Bier ausgegeben und sich eine ganze Weile mit ihm unterhalten. Als sich der Matrose mit einer Dirne verzogen hatte, war er losgelaufen, um seinen Herrn zu holen.
Die Gaststube war überfüllt. Es herrschte eine aufgeladeneAtmosphäre, wie so oft im Winter, wenn die Langeweile groß und das Geld knapp war. Sie zwängten sich durch die Gaststube zu einem Hinterzimmer. Eine Dirne warf sich an Adrians Hals, doch er machte sich los. Feine Herren kamen wohl nicht oft hierher. Ungeduldig wies er Cord an, die Zimmertür zu öffnen. Im nächsten Augenblick sahen sie auf ein nacktes Paar im Liebesspiel. Liv war unverkennbar fasziniert von der Szene, während Cord die Tür schon wieder zuwerfen wollte. Doch es war zu spät, schon stob das Paar auseinander. Der Mann stürzte fluchend und keuchend auf die Eindringlinge zu.
»He, was soll das?!«, brüllte er und holte sogleich zum Schlag gegen Adrian aus. Cord humpelte ihm eilig entgegen und packte die Faust des Mannes, bevor sie seinen Herrn treffen konnte. Er drückte sie so fest, dass der Seemann in die Knie ging und seinen Angriff abblies.
»Mann, beruhige dich! Ich dachte, du bist schon fertig. Mein Herr möchte mit dir sprechen«, redete er auf den Seemann ein.
Adrian warf der Frau ein paar Münzen hin und wies ihr die Tür. Sie tänzelte in aller Ruhe an ihnen vorbei und blinzelte Liv zu, der ihren nackten Körper unverhohlen anstarrte. Adrian richtete das Wort an den Mann, der noch immer von Cord festgehalten wurde.
»Du warst doch an Bord der Gotthilf , als sie von Nowgorod hierherfuhr?«
Misstrauisch sah der Seemann zu ihm auf. »Das habe ich doch alles Eurem Handlanger schon erzählt!«
Adrian holte seinen Geldbeutel hervor. »Wenn du mir einige Fragen beantwortest, werde ich dich für die kleine Unterbrechung gerne
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