Happy End auf Kritos
blickte in den Schrank und war erleichtert, dass sie dort nur ihre eigene Garderobe vorfand. Dann suchte sie das Bad.
Von dem Waschbecken und der Wanne aus Marmor völlig
überwältigt, sah sie erst gar nicht, dass etwas auf den Spiegel geschrieben war. Neugierig ging sie näher. "Nimm es mit mir auf - wenn Du kannst!" war in ungelenken Buchstaben quer über den Spiegel geschmiert. Auf der Konsole darunter lag eine aufgeschlagene Illustrierte.
Olympias Blick fiel auf das ganzseitige Foto einer
hinreißenden Blondine in verführerischer Pose. "Gisele Bonner"
lautete die Überschrift des Artikels auf der gegenüberliegenden Seite. Es war ein Schock für Olympia, und eine innere Stimme riet ihr, den Spiegel zu säubern und die Zeitschrift ungelesen in den Abfall zu werfen.
Olympia ignorierte die Warnung. Obwohl sich ihr Magen schmerzhaft zusammenkrampfte, betrachtete sie das Bild näher.
Gisele trug ein kurzes Kleid mit dünnen Trägern, das ihre atemberaubende Figur mehr betonte als verhüllte. Sie hatte beneidenswert lange Beine, große, wunderbar blaue Augen und hohe Wangenknochen. Ihr sinnlicher Mund war der Traum eines jeden Mannes, und ihr strohblondes Haar fiel ihr glatt und seidig auf die schmalen Schultern.
Als hätte sie sich verbrannt, ließ Olympia das Magazin fallen, nahm es aber sofort wieder zur Hand. Wie unter Zwang las sie den Artikel. Gisele Bonner sei, so wurde berichtet, ein berühmtes Topmodel und die ständige Begleiterin des griechischen Großindustriellen Gregoris Cozakis. Sie war zweiunddreißig Jahre alt und wollte nie heiraten, da sie ihre Freiheit liebte und Kinder nicht ausstehen konnte.
Mit zittrigen Fingern blätterte Olympia um, bereute es jedoch sofort, denn ihr Blick fiel auf ein anderes Foto: Gisele und Gregoris, Arm in Arm bei den Filmfestspielen in Cannes.
Olympia wünschte, sie hätte die Illustrierte nie angefasst.
Ein unterdrückter Schrei ließ sie zusammenzucken, und abrupt drehte sie sich um. Im Türrahmen stand ein junges Zimmermädchen, das starr auf den Spiegel sah und sich erschrocken die Hand vor den Mund hielt. Sie fasste sich aber schnell und sprach erregt und in einem für Olympia viel zu schnellen Griechisch auf sie ein, wahrscheinlich um ihre Unschuld zu beteuern. Dann nahm sie ein Tuch und rieb den Spiegel schnell wieder blank.
Mit den wenigen Brocken Griechisch, die sie sprach, gab Olympia dem Mädchen zu erkennen, dass sie dem Vorfall keine Bedeutung beimaß, und ging zurück in die Kabine. Aber ihre Gleichgültigkeit war nur gespielt, und Olympia hatte das Gefühl, völlig am Ende zu sein. Sie war froh, als das Mädchen, die Illustrierte unter dem Arm, wieder im Gang verschwunden war.
Gisele hatte also Verbindungen zur "Aurora"! Sie musste jemanden vom Personal bestochen haben, diesen Job für sie auszuführen. Doch dann fiel Olympia Katerina ein und das, was sie am Nachmittag vor der Garderobe zu ihr gesagt hatte. War es nicht wahrscheinlicher, dass dieser üble Scherz auf Katerinas Konto ging?
"Nimm es mit mir auf - wenn du kannst!" Welche Frau wäre schon in der Lage, mit einer Schönheit wie Gisele Bonner zu konkurrieren?
Olympia biss sich auf die Lippe. Glücklicherweise war sie nicht ehrgeizig, und Gregoris' Geliebte ging sie auch nichts an.
Deshalb würde sie keinen weiteren Gedanken an den Vorfall verschwenden! Nachdem sie diesen Vorsatz gefasst hatte, setzte sie sich an die Frisierkommode und zog sich die Nadeln aus dem Haar. Für die festliche Frisur hatte man das Haar so straff zurückgekämmt und hochgesteckt, dass ihr der Kopf schmerzte.
Erleichtert strich sie sich mit den Fingern durch das offene Haar und griff dann zur Bürste, um mit energischen Strichen die letzten Kletten zu entwirren. Anschließend stand sie auf und öffnete den Reißverschluss im Rücken, um das Kleid
abzustreifen.
Es war ihr schon fast bis zu den Hüften geglitten, als die Tür geöffnet wurde. Unwillig über die Störung, drehte sie sich um und zog es schnell wieder hoch, denn da es eine Korsage hatte, trug sie nichts darunter.
Gregoris vergaß, die Tür zu schließen. Regungslos blieb er stehen und betrachtete sie fasziniert.
Olympia war wie hypnotisiert. Sie wagte kaum zu atmen und war keines klaren Gedankens fähig.
"Ich wollte dich fragen, ob du mit mir zu Abend essen möchtest", sagte er, und seine Stimme klang rau und fremd.
6. KAPITEL
"Abendessen?" wiederholte Olympia mit bebender Stimme.
"In einer Viertelstunde ..." antwortete Gregoris.
Sie
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