Happy End in Seattle (German Edition)
diese Illusion zerplatzte wie eine Seifenblase, als Mary Lynn ihn am Sonntag mit der Realität konfrontierte.
„Wie hast du es aufgenommen?“ wollte Todd wissen.
„Oh, bestens“, erwiderte Steve trocken. „Ich mache Luftsprünge vor Freude.“
Todd schüttelte den Kopf. „Ich hatte befürchtet, dass etwas Derartiges passieren würde.“ Die Bemerkung brachte ihm einen bösen Blick von Steve ein. „Ich habe dir doch erzählt, dass ich sie mit Kip beim Einkaufen sah, erinnerst du dich nicht?“ versuchte er sich zu rechtfertigen. „Ich merkte sofort, dass es ihr mit diesem Kerl ernst war. Aber so etwas sagt man doch seinem besten Freund nicht. Deshalb machte ich nur eine Andeutung und hoffte, du würdest verstehen, was ich dir mitteilen wollte.“
Jetzt, im Nachhinein, musste Steve erkennen, dass er die ganze Zeit die Augen vor der Wirklichkeit verschlossen hatte. Und dass er niemandem, außer sich selbst, einen Vorwurf daraus machen konnte. Schon zu Beginn des Jahres hatte Kenny ihm erzählt, dass seine Mutter einen Freund hatte. Und auch Meagan hatte Andeutungen gemacht. Aber er war selbst dann noch nicht stutzig geworden, als Mary Lynn sich ihm sexuell verweigerte. Na ja, er war in diesen Dingen schon immer etwas begriffsstutzig gewesen – was im Endeffekt auch zu seiner Scheidung geführt hatte.
„Du musst als Nächster schlagen“, sagte er, insgeheim froh darüber, dass Todd den Unterstand verlassen musste. Er wollte nicht über Mary Lynn sprechen. Er wollte auch nicht an sie denken. Denn jedes Mal wenn er an sie dachte, bekam er Kopfschmerzen, und der Magen krampfte sich ihm zusammen. Er musste sich endlich von ihr lösen, ihr gemeinsames Leben vergessen. Es wurde Zeit, dass er sich neu orientierte, sein eigenes Leben lebte. Mindestens ein Dutzend Leute hatten ihm diesen Rat schon gegeben. Er selbst war bereits schon so weit gegangen, sich jene Sendung im Radio anzuhören, in der eine Psychologin Rat in Lebenskrisen gab.
Aber vor allem hatte ihm Hallie geholfen. Allein der Gedanke an sie machte diese traurige Woche erträglicher für ihn. Mit einer Flasche Bourbon war sie zu ihm gekommen, um ihm Trost zu spenden. Und dann war sie es gewesen, die geheult hatte wie ein Schlosshund und eine ganze Schachtel Papiertücher aufbrauchte.
Merkwürdigerweise hatten ihre Tränen seinen Schmerz über seine verlorene Ehe gelindert. Als sie vor seiner Tür stand, hätte er sie am liebsten wieder weggeschickt. In seiner Verfassung war ihm nicht nach Gesellschaft zu Mute gewesen. Aber Hallie hatte es geschafft, ihn zum Lächeln zu bringen. Steve wusste, er konnte sich durchaus glücklich schätzen, eine Nachbarin wie sie zu haben. Hallie McCarthy zählte definitiv zu den Segnungen seines Lebens. Er wünschte ihr, dass sie einen Mann fand, der ihrer wert war.
Todd verfehlte den Ball. Er war in letzter Zeit nicht sehr gut beim Training und kehrte jetzt fluchend zum Unterstand zurück.
„Mach dir nichts draus“, sagte Steve. „Es ist bloß das erste Spiel der Saison.“
Todd blickte ihn an, als wollte er etwas erwidern, zog dann jedoch schweigend ab, um sich in eine stille Ecke zurückzuziehen. Wie ein schmollendes Kind kam er Steve vor.
Nach dem Spiel beschlossen einige Mitglieder des Teams, in der nächsten Kneipe noch ein paar Bier zu trinken. Während Todd sich ihnen anschloss, lehnte Steve ab. Er hatte keine Lust, Fragen über Mary Lynn zu beantworten. Er hatte gesagt, was es zu sagen gab. In Details wollte er nicht gehen.
Es war noch hell, als er zu Hause ankam. Er bemerkte, dass Hallies Wagen seit zwei Tagen an ein und derselben Stelle parkte. Normalerweise wäre es ihm kaum aufgefallen. Aber das Auto stand so dicht bei einem Hydranten, dass sie unter Umständen einen Strafzettel bekam, wenn sie den Wagen nicht bald wegfuhr.
Auf sein Haus zugehend, warf er unwillkürlich einen Blick zu ihrer Wohnung hinüber. Dabei beschloss er spontan, kurz bei ihr vorbeizuschauen, um nach dem Rechten zu sehen. Es konnte nicht schaden, sich zu vergewissern, ob bei Hallie alles in Ordnung war. Als guter Nachbar hielt er es sogar für seine Pflicht.
Er möge hereinkommen, antwortete sie mit schwacher Stimme auf sein Klopfen. Als Steve die Haustür öffnete, sah er sie in einem alten Bademantel zwischen einer Ansammlung von Decken und Kissen bäuchlings auf der Couch liegen. Ihr einer Arm hing kraftlos über den Rand der Couch. Auf dem niedrigen Tisch davor standen zwischen allen möglichen Arzneischachteln und
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