Harald Glööckler - Glööckler, H: Harald Glööckler
ländliche Haltung: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Nur ein paar Halbstarke an der Dönerbude riefen mir wegen meines Stylings schon mal »Schwuli-Sau« hinterher und zeigten dann kichernd mit dem Finger auf mich – was mir jedes Mal einen Stich versetzte. Zwar ist es mir grundsätzlich egal, was andere über mich denken. Aber »denken« ist nun mal etwas anderes, als sich öffentlich lustig zu machen, das ist einfach nicht in Ordnung. Ich rufe schließlich auch niemandem »Hetero-Sau!« hinterher. Sexualität ist Privatsache, und da hat sich auch niemand drüber lustig zu machen. Natürlich wäre ich nie auf die Idee gekommen, mich wegen so ein paar Idioten anzupassen und weniger exaltiert zu kleiden.
Nun stand ich also an der Kaffeemaschine und hätte gutenGrund gehabt, meinem Chef für sein indiskretes Machogehabe den Kaffee in den Kragen zu kippen. Aber ich hatte etwas viel Besseres als die braune Brühe in petto.
Ich bin mit meiner Kollegin und Freundin Sabine in Baden-Baden. Wir haben frei und wollen uns einen schönen Tag machen in der mondänen und reichen Casino-Stadt. Leider regnet es ausgerechnet heute in Strömen, aber das kann unserer guten Laune nichts anhaben. Auf der Suche nach einem schönen Café laufen wir durch die Stadt, als Sabine auf einmal sagt: »Harald, ist das nicht Jasseks Wagen?« Ich folge ihrem Blick. Auf der anderen Straßenseite biegt ein Jaguar, der verdächtig nach dem unseres Chefs aussieht, auf den Parkplatz des »Sauna-Club Michelle« ein, der aus irgendeinem Grund mitten in der Stadt liegt. Wir bleiben wie angewurzelt stehen, obwohl uns der Regen in den Kragen und die Schuhe läuft. Die Fahrertür des Jaguar geht auf – der Mann, der aussteigt und im Eingang des Bordells verschwindet, ist zweifelsohne Jassek. »Ach, sieh mal an«, sage ich.
Normalerweise hätte ich über diese Episode vor ein paar Tagen niemals ein Wort verloren. Von mir aus soll in den Puff gehen, wer will. Es war die Privatangelegenheit meines Vorgesetzten, wenn er sich am Vormittag seines freien Tages mit Prostituierten vergnügte und abends seine Gattin scheinheilig von der Arbeit abholte. Genau das war nämlich passiert.
Doch jetzt sah ich ihm fest in die Augen und sagte: »Wissen Sie, Herr Jassek, es ist doch so: Der eine wird nun mal von Männern abgeholt, der andere fährt am hellen Mittag nach Baden-Baden in den Puff und holt abends seine Ehefrau von der Arbeit ab. Sollen wir uns darüber jetzt weiter unterhalten, oder können wir es dabei belassen?« Jassek lief knallrot an. Danach hat er mich nie wieder dumm von der Seite angemacht.
Das bedeutete leider nicht, dass ich in Zukunft vor anderen unglaublichen Begebenheiten gefeit war. Ich hatte mich mit einer Ärztin namens Kerstin angefreundet, die bei uns häufigereinkaufte. Eines Tages lud sie mich auf eine Party bei sich zu Hause ein, für die sie sich im Kaufhaus ein tolles Kleid besorgt hatte, das ich ihr empfohlen hatte.
Der Abend lief angenehm an, es gab Cocktails, ein feines Buffet, und die unterschiedlichsten Leute waren gekommen: Kerstins Ärztekollegen ebenso wie ein bunter Querschnitt durch ihre Patientenkartei. Ich sprach mit einer Aquarell-Künstlerin, einem Kneipenwirt und einem Automechaniker. Kerstin war als Gastgeberin sehr bemüht, die Leute miteinander bekannt zu machen, damit alles lebendig blieb und nicht einzelne Grüppchen in der Ecke herumstanden. Nach einer Weile stellte sie mich einer Dame Ende fünfzig vor. Als ich fragte, was sie beruflich mache, sagte sie, sie sei Psychologin.
Kerstin stellte sich dazu, und wir hielten ein bisschen Small Talk darüber, was das Verhalten am Buffet über die Persönlichkeit enthüllte – was sagte es aus, wenn man sich so viel Essen auf den Teller häufte, dass es fast an der Seite wieder herunterfiel und das kein bisschen zusammenpasste? Was waren das für Leute, die warteten, bis fast alles abgegrast war? Ich habe keine Ahnung, wie wir den thematischen Sprung geschafft haben, aber irgendwie kam plötzlich das Gespräch darauf, dass ich von manchen Leuten wegen meiner Homosexualität angefeindet werde. Und was sagt diese Frau daraufhin zu mir?
»Machen Sie sich keine Sorgen, Herr Glöckler! Homosexualität ist eine Krankheit, und die kann man heilen!« Ich dachte, mir fällt der Lachs vom Schnittchen! Dann kam sie mit irgendwelchen Theorien des »Umpolens«, die sie vermutlich in irgendwelchen Nazi-Nachschlagewerken aufgegabelt hatte. Kerstin lief hochrot an und
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