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Harald Glööckler - Glööckler, H: Harald Glööckler

Titel: Harald Glööckler - Glööckler, H: Harald Glööckler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Stella Harald;Bongertz Glööckler
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angezogen, wenn mir danach war. Dass ich damit von den Spießern schräg angeschaut wurde, war mir völlig schnuppe. Die Kreisstadt Mühlacker war mit ihren dreißigtausend Einwohnern nun zwar von einer Metropole deutlich entfernt, aber im Vergleich zum verschlafenen Nest Zaisersweiher schon eine Entwicklung. Auch hier kannte mich schnell jeder. Mit meiner schillernden Erscheinung brachte ich ein bisschen Großstadtflair in den Ort. Eine Prise London, ein Quäntchen Paris oder einen Schuss New York. Das, was die Spießer sonst nur im Fernsehen in Musikvideos aus England und Amerika sahen. Auch ich hatte die Metropolen der Welt noch nicht live erlebt, aber ich informierte mich und wusste, es war nur eine Frage der Zeit, dass ich der Provinz den Rücken kehrte. Mühlacker war nur mein erster Schritt in die Welt hinaus – ich träumte von München.
    Was den Leuten aber am meisten Kopfzerbrechen bereitete und mir eine gehörige Portion Respekt einbrachte, war etwas anderes: Ich war plötzlich aus dem Nichts in Mühlacker gelandet – war per Du mit den ganzen »wichtigen« Leuten!
    Da, wo ich war, passierte etwas. Denn natürlich kam auch Mamas alte Freundin Anita in unser Kaufhaus zum Einkaufen. Die Kollegen standen stramm, sobald sie den Laden betrat, schließlich stammte sie aus einer der angesehensten Familien:Was sie nicht in Stuttgart maßschneidern ließ, kaufte sie hier. Aber nach wem fragte sie plötzlich? Nach mir! Wen begrüßte sie mit Küsschen? Mich! Und nicht nur das, sie brachte ihre Freundinnen mit, die High Society der ganzen Region: Adlige, Künstlerinnen, Fabrikantengattinnen, Unternehmerinnen – und alle wollten sie von mir persönlich beraten werden. Sogar, als ich noch »nur« in der Ausbildung war. Das Gleiche passierte mit dem Freundeskreis meiner Tante, auch hier schien die Lokalprominenz zu mir zu pilgern. Meine Kollegen sahen mit offenem Mund zu und kratzten sich am Kopf. Ich wurde zu Cocktailpartys und Vernissagen eingeladen und avancierte peu à peu zu einem kleinen Star.
    Ich hatte damals einen Verehrer, der verheiratet und sehr wohlhabend war. Ich hatte ihn bei einer Vernissage in Anitas Galerie kennengelernt. Dass er mehr von mir wollte, war mir schnell klar. Ich hingegen fand ihn nett – das war’s. Als er mich fragte, ob er mich zum Essen ausführen dürfe, habe ich ihm sofort freundlich, aber deutlich gesagt, dass er von mir nicht mehr als eine platonische Freundschaft erwarten könne. Ich wollte auf keinen Fall in unangenehme Situationen kommen. Eigentlich hatte ich erwartet, ihn auf diese Weise abzuwimmeln, aber er meinte, das sei in Ordnung. Er wollte mich trotzdem zum Essen nach Karlsruhe einladen. Nun ja, dachte ich, wenn er unbedingt will …
    Bevor er mich abends abholte, habe ich zu Hause beim Styling richtig auf den Putz gehauen. Ich hab mich so bunt und verrückt angezogen, wie es nur ging. Dazu habe ich mich mit jeder Menge Schmuck, Broschen und alten Orden behängt. Das war ein Experiment, ich dachte: Mal sehen, ob er mit mir so ausgeht. Wenn nicht, kann er gleich wegbleiben. Aber er bestand den Test. Er selbst erschien zwar im dunklen feinen Anzug, machte mir aber Komplimente am laufenden Band.
    Kurt sagte mir, er liebe meinen Witz und Charme, und auchich schätzte zunehmend seine Gesellschaft: Er war gebildet und ein witziger Gesprächspartner. Außerdem tauchte ich durch ihn ein in eine ganz neue Dimension des Luxus. Ab sofort holte Kurt mich häufiger von der Arbeit ab – jedes Mal in einem anderen Wagen seines Fuhrparks. Wenn ich nach Ladenschluss aus dem Personaleingang kam, stand er meistens schon da. Dann gingen wir entweder fein essen oder in eine Kunstausstellung oder in eine Bar, meistens in Stuttgart oder Karlsruhe. Im kleinstädtischen Mühlacker, so nahmen wir an, hätte es sofort Getratsche gegeben.
    Das gab es allerdings auch so: Einer meiner Vorgesetzten, Herr Jassek, trat eines Samstagmorgens im Pausenraum an der Kaffeemaschine plötzlich ziemlich nah an mich heran. Ich dachte, mich trifft der Schlag, was will denn der jetzt? Dann flüsterte er in anzüglichem Tonfall: »Sag mal, Junge, was ist denn das für eine Sache? Wieso wirst du denn immer von dem Typen da abgeholt? Man könnte meinen, ihr wärt schwul!«
    Bis jetzt waren in der Stadt offenbar nur wenige auf die Idee gekommen, dass ich homosexuell sein könnte. Für die meisten war ich ganz einfach der schrille Exzentriker. Die Leute in Mühlacker und Vaihingen hatten eben die typisch

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