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Harald Glööckler - Glööckler, H: Harald Glööckler

Titel: Harald Glööckler - Glööckler, H: Harald Glööckler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Stella Harald;Bongertz Glööckler
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schon damals nach dem Sinn dahinter gesucht. Mich gefragt, wie es sein kann, dass so etwas Grausames passiert und ob es so etwas wie Schicksal gibt. Ich habe mich natürlich auch gefragt, warum Mama meinen Vater nicht einfach verlassen hat. Ich kam zu keinem Ergebnis. Doch dann fiel mir zufällig ein Buch über Reinkarnation in die Hände, das aus irgendeinem Grund in Tante Katharinas Bibliothek herumstand – und das, obwohl die Tante jeden Sonntag in die Kirche ging. Dort las ich von der Theorie, nach der jede Seele vor der Geburt selbst bestimmt, welche Erfahrungen sie machen möchte. Es hieß, das habe den Zweck, an diesen Erfahrungen weiter zu wachsen und im nächsten Leben der Erleuchtung näher zu kommen. Nach dieser Theorie treffen sich die Seelen vor der Geburt und besprechen die Rollenverteilung des gemeinsamen Lebens. Da hatte ich die Idee, dass meine Mutter vielleicht dieses Leben benötigte, um – in einem viel größeren Zusammenhang – bestimmte Dinge zu begreifen. Das hat mir damals sehr geholfen, mit meiner Trauer fertigzuwerden. Ich stellte mir vor, dass das Leben wie ein Film ist, für den die Seelen vorher das Drehbuch abgesprochen haben.
    Aber auch wenn ein Schicksal nicht schon bei der Geburt vorbestimmt ist, finde ich die Vorstellung einer Wiedergeburt sehr tröstlich. Und oft glaube ich, dass sich nur so meine intensiven Träume und Déjà-vu-Erlebnisse erklären lassen, die ichimmer wieder habe und die definitiv nichts mit meinem heutigen Leben zu tun haben. Ich kann das nicht beweisen, aber irgendetwas in mir drin sagt, dass es so ist.
    Einige Jahre nach meiner Mutter starb auch meine Großmutter. Nun hat die Friedhofskapelle in Illingen, in der Großmutters Leichnam vor der Beerdigung aufgebahrt war, hinter dem Altar ein Fenster. Ich lauschte den Worten des Pfarrers, als ich plötzlich sah, wie sich hinter der großen Scheibe etwas näherte. Ich kniff die Augen zusammen, um die Tränen zu vertreiben, und sah genau hin. Kurz dachte ich, ich hätte eine Halluzination. Aber ich täuschte mich nicht, draußen stand ein Pfau. Und das, obwohl sich in der Nähe des Illinger Friedhofs kein Tiergarten oder Ähnliches befindet.
    Der Pfau stand direkt vor der Scheibe und schien interessiert zu verfolgen, was im Inneren des Gebäudes vor sich ging. Und in dem Moment, als der Pfarrer den Segen sprach, überkreuzte das Tier die Beine, schlug ein Rad und senkte den Kopf, als verneige es sich vor meiner Großmutter. In diesem Moment dachte ich: Dieser wunderschöne Pfau da draußen, das ist meine Mama. Ich verlor kein Wort darüber, doch als mir später am Grab die Trauergäste die Hand gaben und ihr Beileid aussprachen, sagten zwei ganz bodenständige Bauersfrauen, Nachbarinnen meiner Großmutter, unabhängig voneinander zu mir: »Bub, hast du den Pfau gesehen? Das war deine Mutter.«

FLUCHT AUS DEM DORF
    K aum jemand kannte meine Begeisterung für Stoffe, Mode und schöne Dinge so gut wie Tante Katharina. Etwa ein halbes Jahr bevor ich mit der Schule fertig war, saßen wir mal wieder zusammen bei Kaffee und Kuchen. Zwischen zwei Stücken Kirschstreusel stellte sie eine dieser typischen Tantenfragen: »Harald, weißt du schon, was du nach der Schule machen willst?«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte den als Kind gefassten Plan, alle Frauen zu glücklichen Prinzessinnen zu machen, nicht vergessen. Aber bei der Berufsberatung kürzlich hatte ich das lieber nicht erwähnt – ich glaubte nicht, dass die Schubladendenker damit viel hätten anfangen können. Außerdem wollte ich nicht ausgelacht werden. Es gab nicht sehr viele Leute, die wirklich verstanden, was ich damit meinte. Die Zeit war noch nicht reif, das spürte ich.
    Tante Katharina fuhr fort: »Du musst etwas lernen, ich spreche mal mit Herrn Sämann, da lässt sich bestimmt etwas machen. Ich glaube, dort zu arbeiten wäre etwas für dich.« Sämann war das größte Modekaufhaus in Mühlacker, und meine Tante kannte den Inhaber sehr gut. »Hmmm, mal überlegen«, sagte ich.
    Aber ich überlegte nur kurz. Nachdem Mama tot war, hatte ich das Leben sehr pragmatisch gesehen. Ich hatte mich von meinem Vater ferngehalten, so gut es ging, und den Haushalt geschmissen. Wie ein Häftling dem Tag seiner Entlassung entgegenfiebert, hatte ich darauf gewartet, dass ich endlich von zu Hause ausziehen konnte. Und in einem Modekaufhaus zu arbeiten würde mir endlich genau das ermöglichen. Was TanteKatharina vorschlug, klang doch im Grunde wie ein guter

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