Harald Glööckler - Glööckler, H: Harald Glööckler
Gesangsschülerin von Frau Bumbry, und sie hat mich gebeten, nach der Aufführung zu ihr zu kommen. Aber ich habe keine Ahnung, wie ich das machen soll.« Ich schickte ein Dankgebet zum Himmel!
Wie sie darauf kam, dass von den gut zehntausend Besuchern des Abends ausgerechnet ich genau derjenige war, der ihr Zugang zum Backstagebereich verschaffen könnte, war mir nicht ganz klar. Vermutlich lag das an meiner Ausstrahlung oder an meinem wie immer extravaganten Outfit: Ich trug meinen Lieblings-Barockmantel mit eingestickten goldenen Lilien, vielSchmuck und eine riesige Sonnenbrille. Vielleicht kannte mich das Mädchen aber auch aus dem Fernsehen oder einem Zeitungsartikel. Woran es auch immer lag, ich wusste, das war meine Chance! Ich sagte zu der jungen Frau: »Kein Problem, das kriegen wir hin. Kommen Sie nur mit.«
Mit Dieter und unserer neuen Freundin im Schlepptau bahnte ich uns nun einen Weg durch die aus der Halle herausströmende Menge in Richtung der Security-Leute. An jeder der zwei Türen, die hinter die Bühne führten, standen jeweils zwei Furcht einflößende Kerle vom Format meines Kleiderschranks. Sie trugen einen Funkknopf im Ohr und den Gesichtausdruck eines kampfbereiten Pitbulls. Die einzigen Leute, die von diesen Wachhunden durchgelassen wurden, hatten gut sichtbar riesige, in Plastik eingeschweißte Backstage-Ausweise um den Hals hängen.
Logischerweise besaß keiner von uns dreien so ein Sesam-öffne-dich-Utensil. Ich ging nun zielstrebig und ohne zu zögern auf den Backstageeingang zu. »Guten Abend«, fing ich an. »Mrs. Bumbry erwartet uns. Wären Sie so freundlich, uns zu unserer Verabredung zu bringen?«, erklärte ich dem Sicherheits-Mann so selbstverständlich wie möglich. Und das Wunder geschah: Er nickte und ließ uns nicht nur ein, er öffnete uns sogar die Tür. Dann brachte er uns durch ein wahres Gänge-Labyrinth bis zur Garderobe der Opernsängerin. »Mrs. Bumbry, Sie haben Besuch«, sagte er und verabschiedete sich von uns mit einem devoten angedeuteten Diener.
Die Diva war gerade dabei, ihre Haare auszubürsten. Aber als sie uns sah, breitete sie sofort ihre üppigen Arme aus und streckte uns ihr enormes Dekolletee entgegen. Voller Begeisterung und mit ihrem starken amerikanischen Akzent rief sie: »Willkommen! Ich erkenne Sie! Sie sind die junge Mann, die mir die wunderbare Blumen geschickt hat! Ich habe die Foto gesehen. Wie for heaven’s sake haben Sie es geschafft, hier hereinzukommen? Gestern haben die meine Tenor zusammengeschlagen, weil er nicht so eine Plakette hatte. Der Arme wollte nur in seine Garderobe.« Sie lachte und drückte ihre schüchterne Schülerin an sich. »Und meine fleißige Isabell haben Sie auch gleich mitgebracht.«
Grace Bumbry und ich, das war Liebe auf den ersten Blick. Ich bewunderte ihre Meisterschaft als Sängerin, aber aus nächster Nähe beeindruckte sie mich noch mehr. Ihre Art, mit dramatischen Gesten zu sprechen, ihre starke Aura, die schon einen Meter vor ihr überall ankam. Wir beglückwünschten sie zu ihrem großartigen Auftritt, und nach ein paar Minuten waren wir in ein lebhaftes Gespräch über Oper, Kunst und Mode vertieft, das leider nach einer halben Stunde von Bumbrys Manager jäh beendet wurde. Der kam herein und verkündete, das Taxi zum Hotel stehe bereit.
Doch sehr traurig war ich nicht, denn als wir die Hanns-Martin-Schleyer-Halle wieder verließen, hatten wir eine persönliche Einladung für den nächsten Nachmittag zum Champagnertrinken in der Tasche – im Interconti, denn dort war Grace Bumbry abgestiegen.
Ich war wegen der Erfolge der letzten Zeit schon ganz siegessicher, als ich sie am nächsten Tag fragte, ob sie nicht Lust hätte, vor meiner nächsten großen Show zu singen. Doch Grace Bumbry winkte ab.
»Harald, Sie machen bestimmt eine tolle Modenschau, aber ich bin nicht wie viele mein Kolleginnen. Ich singe nur in der Oper.«
»Wie Sie meinen«, sagte ich. Doch im Stillen dachte ich: Das werden wir schon noch sehen. Dann trank ich einen Schluck Champagner auf Gina Lollobrigida und Chaka Khan.
Grace hatte mir bei unserer Verabschiedung ihre Privatnummer in der Schweiz gegeben, und wir haben danach eine richtige Telefonfreundschaft gepflegt. Das war immer sehr witzig, denn am Telefon war sie genauso aufgedreht und lustig wie in Wirklichkeit. Wenn ich anrief, sagte Grace schon mal Sachen wie: »Oh, Harald, du bist es. Ich bin gerade in die Schlafzimmer, warte eine Moment, ich muss erst ins Büro.«
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