Harald Glööckler - Glööckler, H: Harald Glööckler
Laden in der Eberhardstraße aufzulösen, wo wir so viele tolle Stunden verbracht hatten. Aber die Vorteile des neuen Domizils wogen das auf. Und das hatte nicht nur damit zu tun, dass wir ab sofort keine Miete mehr zahlen mussten.
Auf einer so großen Fläche konnten wir uns richtig austoben. Die ganzen prachtvollen Kleider aus den Shows hatten bisher aus Platzmangel ein Aschenputtel-Dasein an verschiedenen Orten geführt – im Lager unseres Ladens, bei den Schneiderinnen, bei meiner Tante und auch bei uns zu Hause hatten wir einige Exemplare aufbewahrt. Jetzt konnten wir alles an einem Ort zusammenbringen, und ich hatte die Möglichkeit, alles so zu drapieren und zu dekorieren, dass es richtig nach etwas aussah. Nun konnte ich Besuchern die ganze Bandbreite meiner kreativen Arbeit präsentieren.
Wir hatten sogar genug Platz, ein eigenes Nähatelier einzurichten und Schneiderinnen sowie ein paar Praktikanten einzustellen. Die Produktion von der ersten Idee bis zur letzten Naht unter einem Dach zu haben war ein großer Fortschritt, der die Arbeit deutlich beschleunigte und vereinfachte. Und natürlich hatten wir jetzt auch endlich Platz für große Partys, Happenings und Vernissagen befreundeter Künstler! So etwas macht nicht nur Spaß, sondern ist bei einem Mode-Label natürlich auch immer ein Promotion-Event.
Obwohl wir nunmehr weiter draußen residierten, fanden unsere Kunden zu uns. Auch der Kontakt zu den Freunden im Renitenztheater riss nicht ab. Ganz im Gegenteil: Die Künstler von dort kamen regelmäßig zu uns und gaben bei uns kleine Konzerte oder Kostproben ihres Bühnenprogramms, fast jede Woche hatten wir einen anderen Gast. Wir waren fast so was wie ein inoffizielles kleines Theater.
HONGKONG, HELAU!
A nfang 1996 segelte in unserem Showroom das Schreiben eines Faschingsvereins aus Weiterstadt bei Darmstadt aus dem Fax-Gerät. Die Leute wollten, dass wir mit unserem Pompöös-Song und den anderen Liedern von unserer CD Pompöös is my life bei ihrer Rosenmontags-Party auftraten. Dieter und ich amüsierten uns köstlich, unsere »Gesangskarriere« trieb langsam interessante Blüten. Ich schrieb dem Verein ganz kess zurück, dass sie uns natürlich gern buchen dürften, ein Auftritt von uns koste allerdings 10000 Mark. Als wir das unserem Plattenlabel erzählten, meinten die nur: »O Gott, seid ihr völlig durchgedreht? Unsere Künstler kriegen im Schnitt 300 Mark für den Abend und sind noch froh darüber.« Ich zuckte mit den Schultern. »Na und? Nicht unser Problem. Wir machen das zum Spaß, die Singerei haben wir nicht nötig – wenn sie 10000 Mark zahlen, treten wir auf. Wenn nicht, bleiben wir hier. So einfach ist das.« Neben der Gage verlangten wir die Erstattung der Reisekosten in der Businessclass und eine Unterbringung im Fünf-Sterne-Hotel.
Und was passierte? Wir wurden trotzdem gebucht! Oder vielleicht gerade deswegen? Nun wollte ich ganz clever sein und schrieb in den Vertrag eine Konventionalstrafe in Höhe der Gage hinein, falls es sich der Verein anders überlegte und uns doch nicht mehr haben wollte.
Ein paar Wochen vor dem Event waren es allerdings Dieter und ich, die ihre Meinung änderten. Musikauftritte waren eigentlich unser Ding nicht, wir wollten uns lieber auf die Mode konzentrieren. Die Kernkompetenz entwickeln, wie es so schön heißt.
Ich hatte schon den Hörer in der Hand und wollte die ganze Sache absagen, da fiel mir die Konventionalstrafe ein. Die galt natürlich auch für uns selbst. Super, Harald, dachte ich, da bist du ja wirklich ganz schlau gewesen …
Nach kurzem Überlegen wählte ich die Nummer trotzdem. Ich erklärte dem Vorsitzenden des Vereins: »Es tut uns leid, wir können leider auf Ihrer Rosenmontags-Gala nicht singen …« Bevor sich mein Gegenüber beschweren konnte, präsentierte ich schnell meinen Joker: »… aber stattdessen bekommen Sie etwas viel Besseres: eine komplette Haute-Couture-Show mit Rokoko-Kleidern und allem Drum und Dran. Wie wäre das?« Ich schlug drei Kreuze, als mein Vorschlag auf Begeisterung stieß.
Nach der Show sitzen wir mit den Models in der Backstage und stoßen auf den gelungenen Coup an. Im Stillen preise ich noch einmal meinen glorreichen Einfall. Plötzlich stürmt Herr Petzold herein, der Berater unseres Investors. Petzold berät mittlerweile auch uns und ist als eine Art »Tourmanager« mitgekommen. Er ist ganz außer Atem. »Herr Glööckler, draußen steht eine Dame, die sagt, sie hätte großes
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