Harald Glööckler - Glööckler, H: Harald Glööckler
ihren großen Filmen. Marlene lächelt und haucht mir Küsse auf die Wangen: »Na, na, na, das wurde aber Zeit, dass du endlich nach Hollywood kommst, Harald«, sagt sie.
Irgendetwas klirrt, und ich schlage die Augen auf. Ich muss eingeschlafen sein in der Frühlingssonne, das passiert mir sonst nie. Dieter reicht mir eine eisgekühlte Limonade.
»Trink mal was, und setz dir was auf den Kopf, sonst bekommst du noch ’nen Sonnenstich.«
Bunte Punkte tanzen vor meinen Augen, und ich blinzle. »Vielleicht hab ich den schon. Hab gerade von der Dietrich geträumt. Ich war in Hollywood.«
Dieter lächelt. »Hollywood kommt auch noch, da bin ich sicher. Aber ich schätze, leider ohne die Dietrich.«
Ich nehme einen Schluck und sage: »Pah! Wunder gibt es immer wieder. Elvis lebt schließlich auch noch!«
Hollywood lag – vorläufig – noch nicht unmittelbar auf dem Weg, stattdessen hatte das Schicksal für mich erst mal Reisen Richtung Osten vorgesehen. Statt eines Filmstudios in Los Angeles rief mich ein Herr Kroll an. Der Name sagte mir nichts, aber er erklärte mir, er sei einer der Chefs von Pranda & Kroll, eines deutsch-thailändischen Joint Ventures, das sich auf Schmuckproduktion spezialisiert hatte. Die deutsche Traditionsfirma Kroll hatte ihren Sitz in Pforzheim, die Herstellung des Schmucks war Sache der ebenso traditionsreichen Firma Pranda in Bangkok.
Herr Kroll war an einer Pompöös-Lizenz interessiert und wollte mich gern kennenlernen. Kurze Zeit später saß er mir in unserem Showroom im Modecenter gegenüber. Kroll wirkte auf Anhieb wie ein seriöser Geschäftsmann, und ich hatte direkt ein gutes Gefühl, als er mir mit festem Druck die Hand zur Begrüßung reichte. Er war begeistert von den Ideen, die ich spontan aus dem Ärmel schüttelte: »Großartig! Toll!«
Wir wurden uns schnell einig, und bereits am nächsten Tag arbeitete ich an den ersten Kollektionen. Meine Phantasie sprudelte über, und ich zeichnete wie verrückt. Die Entwürfe waren wie immer sehr opulent und pompös – aber auf ganz unterschiedliche Art. Ich hatte Ideen für vergoldeten Silberschmuck mit Zirkoniasteinen. Ich entwarf Colliers, die perfekt in die Achtziger-Fernseh-Serie Der Denver Clan gepasst hätten. Ich dachte mir Rokoko-Geschmeide aus wie die von Marie Antoinette höchstpersönlich oder als Modeschmuck Emaille-Armreife im Tiger- oder Zebralook.
Unter meinen Entwürfen war auch der einer dreireihigen Perlenkette mit einem großen Medaillon. Diese Kette hatteeine besondere Geschichte, die sich vor vielen Jahren, als Dieter und ich noch den Laden in Stuttgart führten, abgespielt und ihren Anfang in Paris genommen hatte …
Wenn ich in der französischen Hauptstadt bin, statte ich fast immer dem Palais Royal einen Besuch ab und bummele anschließend durch die wunderbaren Antiquitätengeschäfte in unmittelbarer Nachbarschaft. Bei einer dieser Gelegenheiten hatte ich in einem kleinen Laden dort genauso eine dreireihige Perlenkette mit Medaillon entdeckt. Sie hatte mich damals an einen der vielen verwirrenden Träume meiner Kindheit erinnert, der in einem anderen Leben spielte und mir sofort wieder einfiel.
Ich bin ein kleiner Junge. Wieder bin ich in einer Kutsche unterwegs, neben mir sitzt eine Frau in einem schweren dunkelblauen Reiseumhang. Ich weiß intuitiv, dass sie meine Mutter ist, eine russische Adlige. Wir sind auf der Flucht vor den Truppen Napoleons, doch wir kommen nicht weit, wir werden von französischer Kavallerie gestoppt. Ich habe Angst und schreie, aber die Soldaten reißen mich aus den Armen meiner Mutter. Was mit ihr geschieht, weiß ich nicht. Aber ich werde nach Paris gebracht und dort in ein Kloster gesteckt.
Plötzlich bin ich im Traum dann kein Kind mehr, sondern ein groß gewachsener junger Mann. Am Tag meines Abschieds aus dem Kloster wird mir vom Abt die Kette überreicht, die meine Mutter am Tag des Überfalls trug: Sie hat drei Reihen Perlen und ein Medaillon.
Wieder eine andere Szene: Ich schenke den Schmuck einer Freundin, und auf einmal sind wir gemeinsam auf einem Ball im Palais Royal, sie trägt die Kette zu einer wunderbaren Seidenrobe. Da stürzt plötzlich eine andere Frau wie eine Furie auf meine Begleiterin zu und reißt ihr die Kette vom Hals, deren Perlen in tausend Richtungen über den Boden davonspringen.
Damit war der Traum zu Ende, denn vor lauter Schreck war ich in meinem Zimmer aufgewacht. Die Kette in Paris, vor der ich so viele Jahre später stand,
Weitere Kostenlose Bücher