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Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Titel: Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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der Rest andere Personenwagen und Lkws. Warum so viele Leute um diese Uhrzeit durch die Stadt fahren mussten, war mir ein Rätsel. Warum gingen die nicht alle nach der Arbeit um sechs Uhr nach Hause, löschten um zehn das Licht und legten sich schlafen?
    Letztlich war das natürlich nicht mein Problem. Die Welt drehte sich nach anderen Prinzipien, nicht nach denen, die ich für richtig hielt. Unabhängig von mir bohrten die Araber weiter nach Öl, und die Leute kauften es und verarbeiteten es zu Strom und zu Benzin, um damit spät nachts in der Stadt ihren Träumen nachzujagen. Doch was ging mich das an? Ich hatte jetzt meine eigenen Probleme zu lösen.
    Wir standen an einer roten Ampel, ich legte beide Hände aufs Lenkrad und gähnte ausgiebig.
    Vor uns hielt ein großer Lkw, der fast bis zum Dach mit gebündeltem Papier beladen war. Vorne rechts saß ein junges Pärchen in einem weißen Skyline Coupé. Ob sie auf der Heimfahrt waren oder gerade erst aufbrachen, um sich ins nächtliche Vergnügen zu stürzen, wusste ich nicht, aber beide machten ein irgendwie gelangweiltes Gesicht. Die Frau, deren mit zwei Silberkettchen geschmückter linker Arm zum Fenster heraushing, schaute kurz zu mir herüber. Nicht, weil sie mir besonderes Interesse entgegengebracht hätte, sondern weil es sonst nichts zu sehen gab. Ein Verkehrsschild, eine Denny’s-Leuchtreklame, mein Gesicht, das machte keinen Unterschied. Ich schaute zurück. Sie war schön, allerweltsschön. Eine Frau von der Art, die im Fernsehen die Freundin der Heldin spielt und im Café fragt: »Was ist los mit dir? Du wirkst in letzter Zeit so bedrückt!« Eine Schönheit, die nur einen Auftritt hat und an deren Gesicht man sich nicht mehr erinnern kann, sobald es vom Bildschirm verschwunden ist.
    Die Ampel sprang auf Grün, und während der Laster vor uns schwerfällig anzog, röhrte der weiße Skyline mitsamt seiner dröhnenden Duran-Duran-Musik von dannen.
    »Kannst du die Autos hinter uns ein bisschen im Auge behalten?«, bat ich das dicke Mädchen. »Wenn einer lange dranbleibt, sag mir Bescheid.«
    Das Mädchen nickte und drehte sich um. »Glaubst du, dass uns jemand folgt?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Aber Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Wie wär’s mit einem Hamburger? Das dauert nicht so lange.«
    »Mir ist alles recht.«
    Bei der ersten Drive-in-Hamburgeria, die mir auffiel, bog ich ein. Ein Mädchen in einem relativ kurzen, roten Kleid hängte Tabletts in die Seitenfenster und nahm die Bestellung auf.
    »Einen doppelten Cheeseburger, Pommes frites und eine heiße Schokolade«, sagte das dicke Mädchen.
    »Einen normalen Hamburger und ein Bier«, sagte ich.
    »Bier führen wir nicht, tut mir leid«, sagte die Bedienung.
    »Einen normalen Hamburger und eine Cola«, sagte ich. Wie war ich bloß auf den Gedanken gekommen, dass man in einem Drive-in Bier ausschenken könnte?
    Während wir auf unsere Bestellung warteten, achteten wir auf neu einbiegende Autos, aber es kam kein einziges. Allerdings würde ein ernsthafter Verfolger auch kaum in das Drive-in einbiegen, sondern an einer unauffälligen Stelle unsere Ausfahrt abwarten. Ich hielt nicht weiter Ausschau und verzehrte mechanisch den Hamburger, der gebracht worden war, die Kartoffelchips, das Salatblatt von der Größe einer U-Bahnkarte und trank die Cola dazu. Die Dicke ließ sich Zeit, kaute genüsslich ihren Cheeseburger, pickte die Pommes frites aus der Tüte und schlürfte ihre Schokolade.
    »Möchtest du ein paar Pommes?«, fragte sie mich.
    »Nein danke«, sagte ich.
    Als sie alles verputzt und den letzten Schluck Schokolade getrunken hatte, leckte sie sich das Ketchup und den Senf von den Fingern und wischte sich mit der Papierserviette die Hände und den Mund. Es schien ihr geschmeckt zu haben.
    »Nun zu deinem Großvater«, sagte ich. »Zuallererst sollten wir uns einmal im Labor umsehen.«
    »Das denke ich auch. Vielleicht finden wir irgendeinen Anhaltspunkt. Ich helfe dir.«
    »Glaubst du, dass wir am Nest der Schwärzlinge vorbeikommen? Die Vorrichtung zur Abschreckung der Biester ist doch kaputt, oder?«
    »Das ist kein Problem. Es gibt ein kleines Notgerät. Besonders wirkungsvoll ist es nicht, aber wenn man es bei sich trägt, ziehen sich die Schwärzlinge immerhin aus der unmittelbaren Umgebung zurück.«
    »Wunderbar.« Ich war beruhigt.
    »Ganz so einfach ist die Sache leider nicht«, sagte das Mädchen. »Das tragbare Gerät läuft auf Batterie und funktioniert nur

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