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Hard News

Hard News

Titel: Hard News Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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sich um ’nen kleinen Schwarzen aus der Bronx handelte, der vorbestraft war und bei etlichen Gelegenheiten gesagt hatte, dass er dem Opfer die Kehle aufschlitzen wolle.«
    Rune rückte in ihrem Sessel vor. »Hören Sie, das ist genau das, worum es in meiner Story geht – ein Unschuldiger ist verurteilt worden.«
    »Boah, Süße, wer hat denn gesagt, dass mein Klient unschuldig war?«
    Sie blinzelte und rekapitulierte im Geist kurz noch einmal die Fakten. »Sie, dachte ich. Was ist mit der Knarre, was ist mit dem Alibi?«
    »Nee, er hat das Opfer umgebracht, die Knarre weggeschmissen und dann vier Kumpels ein paar Sixpacks Crack spendiert, damit sie einen Meineid leisten …«
    »Aber …«
    »Aber ist denn nicht entscheidend, ob er schuldig ist? Entscheidend ist, dass man sich an die Spielregeln halten muss. Und das haben die Geschworenen nicht getan. Sie dürfen nur aufgrund der vorgelegten Beweise verurteilen. Das haben die Geschworenen nicht getan.«
    »Und was ist daran so falsch? Er war schuldig, und die Geschworenen haben ihn verurteilt. Für mich hört sich das okay an.«
    »Verändern wir die Fakten mal ein bisschen. Tun wir so, als spazierte der junge schwarze Fred Williams, National-Merit-Stipendiat mit einer Fahrkarte nach Harvard, der nie etwas Schlimmeres getan hat, als falsch zu parken, gerade die 135 th Street entlang, als zwei von New Yorks großen Helden sich von hinten an ihn ranschleichen, ihn in den Polizeigriff nehmen und auf die Wache schleppen, wo sie ihn wegen Vergewaltigung einbuchten. Er wird bei einer Gegenüberstellung identifiziert, weil die ja alle gleich aussehen usw., und der Fall kommt vor Gericht. Dort schildert der Staatsanwalt einer aus Angehörigen der Mittelschicht überwiegend mitteleuropäischer Herkunft zusammengesetzten Geschworenenbank, wie der Kleine eine Mutter von zwei Kindern zusammengeschlagen, vergewaltigt und von hinten genommen hat. Dann beschreibt ein Mittelschichtzeuge überwiegend mitteleuropäischer Herkunft den Täter als einen jungen Schwarzen mit kurz geschorenen Haaren und Baseballschuhen, und der Mittelschichtarzt überwiegend mitteleuropäischer Herkunft steht auf und beschreibt die Wunden des Opfers in allen grauenhaften Einzelheiten. Was, verflucht, glauben Sie, was mit Fred passieren wird? Er wandert in den Knast, und zwar nicht zu Besuch.«
    Rune schwieg.
    »Das heißt also, dass jedes Mal, wenn ein Revolverheld, der einem armen Schwein fünfmal die Birne durchlöchert, von Geschworenen, die es nicht so genau nehmen – das heißt von einem mangelhaften Rechtssystem –, verurteilt wird, die Gefahr besteht, dass Fred Williams für etwas einfährt, was er nicht getan hat. Und solange diese Gefahr besteht, muss sich die Welt mit Leuten wie mir abfinden.«
    Rune warf ihm einen neckischen Blick zu. »Das ist also Ihr Schlussplädoyer?«
    Megler lachte. »Eine Variation der vorhandenen. Ich verfüge über ein großes Repertoire. Haut die Geschworenen glatt um.«
    »Ich glaub nicht so richtig, was Sie da erzählen, aber es hört sich an, als würden Sie’s glauben.«
    »Oh, das tu ich in der Tat. Und sobald ich aufhöre, es zu glauben, steig ich aus der Branche aus. Dann verleg ich mich aufs Pferderennen oder werde Berufszocker. Die Chancen sind besser, und man wird auch noch bar bezahlt. Also, in circa einer halben Stunde kommen ein paar wirklich unschuldige Klienten. Sie sagten, Sie wollten mich etwas zum Fall Boggs fragen. Hat das irgendwas mit dem Artikel zu tun, den ich gelesen habe?«
    »Ja.«
    »Sie machen die Story?«
    »Stimmt. Darf ich Sie aufnehmen?«
    Sein hageres Gesicht zuckte. Er sah aus wie Ichabod Crane in ihrer illustrierten Ausgabe von Sleepy Hollow. »Wieso machen Sie sich nicht einfach nur Notizen?«
    »Wenn Ihnen dabei wohler ist …«
    »Wäre es.«
    Sie holte einen Notizblock heraus. »Haben Sie Boggs selbst vertreten?«
    »Jawoll. Er war ein Paragraf-18-Fall. Bedürftig. Daher wurde ich vom Staat dafür bezahlt, dass ich ihn vertrat.«
    »Ich glaube wirklich, dass er unschuldig ist.«
    »Hm-mh.«
    »Nein, ich glaube es wirklich, wirklich.«
    »Wenn Sie’s sagen.«
    »Sie nicht?«
    »Meine Meinung über die Schuld oder Unschuld eines Klienten ist absolut irrelevant.«
    »Können Sie mir sagen, was passiert ist?«, fragte sie. »Bei Hoppers Tod, meine ich.«
    Megler lehnte sich in einer nachdenklichen Haltung zurück. Er musterte die schmutzige Decke. Das Fenster stand einen Spalt offen, und die mit Abgasen geschwängerte Aprilluft

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